Kulturpolitik:Seitenwechsel

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Die Literaturkritikerin Ina Hartwig (SPD) wird neue Kulturdezernentin in Frankfurt am Main. Auf sie warten titanische Aufgaben und eine Partei, die ein ambivalentes Verhältnis zur Kultur hat.

Von VOLKER BREIDECKER

Frankfurt am Main hat eine neue Stadtregierung und eine neue Kulturdezernentin: Im Zuge der seit Jahrzehnten größten Magistratsumbildung geht das wichtige Amt des Kulturdezernenten an die Sozialdemokraten, die auf ihrem Parteitag im Mai fast einmütig ihr Parteimitglied, die 53-jährige Literaturkritikerin Ina Hartwig, nominiert hatten. Erwartungsgemäß hat die Mehrheit der am Donnerstagabend versammelten neuen Stadtparlamentarier Hartwig gewählt. Es gab auch keinen Gegenkandidaten, was aber nicht bedeutet, dass die studierte Literaturwissenschaftlerin und vormalige Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Rundschau ein leichtes Amt übernehmen wird. Ihr Vorgänger Felix Semmelroth (CDU) war noch vor seiner Abwahl zurückgetreten, aus Groll auf seine Partei und im Zwist mit OB Feldmann.

Zu Semmelroths Hinterlassenschaft gehören allerhand kulturelle Baustellen: Nach dem Weggang des erfolgreichen Max Hollein bleibt die Neubesetzung der Kunsthalle Schirn vorläufig offen. Blamabel für die vermeintlich weltoffene Stadt steht es um das Weltkulturenmuseum am Main und um die seit fünf Jahrzehnten geplante bauliche Erweiterung dieser allzu kleinformatigen Urzelle des Museumsufers. Seit der vor Gericht für unrechtmäßig erklärten fristlosen Kündigung der zuletzt amtierenden Direktorin Clémentine Deliss ist das Museum führungslos. Jetzt hat die neue Rathauskoalition nicht nur den Standort infrage gestellt, sondern jede bauliche Erweiterung in der laufenden Legislaturperiode - also bis 2021 - bereits ausgeschlossen.

Zu hören ist, dass die dringend nötige Sanierung der Städtischen Bühnen rund 300 Millionen Euro verschlingen wird. Auch für den noch immer recht ansehnlichen Kulturetat dieser Stadt ist das viel Geld. Und wo dann ersatzweise für wie lange gespielt werden soll ist ungeklärt - wie auch die Neubesetzung der Intendanz des Schauspielhauses nach dem Ende der Ära von Oliver Reese.

Auf Ina Hartwig, die intellektuell profilierte, politisch und administrativ aber noch unerfahrene neue Kulturdezernentin Frankfurts, warten also beinahe titanische Aufgaben. Außerdem muss sie im Magistrat die Interessen einer Partei vertreten, die Kultur oftmals gerne dem bloßen Nutzen unterordnet und dabei auch schon in der Vergangenheit vor keinem Königsmord zurückgeschreckt ist.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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