Kulturgeschichte:Alles war möglich

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Wer sich unter "Barock" nur gepuderte Opulenz vorstellt, sollte sich unbedingt eine Ausstellung in Mannheim ansehen. Sie zeigt, wie aufregend und entdeckungsfreudig diese Epoche war.

Von Rudolf Neumaier

Dieses Figürchen wäre heute eine Provokation sondergleichen. Der Künstler müsste wohl mit Anzeigen rechnen und damit, dass Abendlandrettungstrupps vor seiner Werkstatt demonstrieren. Es handelt sich bei der kaum 30 Zentimeter großen Wachsfigur um den Corpus des gekreuzigten Christus als anatomisches Modell: Klappt man die Bauchdecke auf, kommen darunter seine Rippen und seine Gedärme zum Vorschein. Dieser "Christus anatomicus" stammt aus einer Epoche, die so fromm war, wie die heutige Zeit unfromm ist. Aber wer, außer einem geschmacklosen Kauz, käme auf die Idee, den dornengekrönten Leidensmann als Eingeweide-Bausatz darzustellen? Nun, in der Barockzeit war alles möglich.

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