Seit 2001 verlangen öffentlich finanzierte Museen in England keinen Eintritt mehr. Seitdem sind die Besucherzahlen der einzelnen Museen um etwa 20 Prozent gestiegen. In Deutschland gibt es nur einige wenige Museen, die es ihnen gleichtun. In Essen erlaubt eine private Stiftung dem Folkwang Museum, auf Eintrittsgelder zu verzichten. Auch hier sind die Besucherzahlen stark gestiegen. Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, erklärt, warum das nicht überall in Deutschland funktioniert.
SZ.de: Warum gibt es in Deutschland keinen kostenlosen Eintritt in Museen?
Isabel Pfeiffer-Poensgen: Das hat verschiedene Gründe. Grundsätzlich ist es aber so, dass die Einnahmen dem Betrieb des Hauses zugutekommen. Außerdem sind Eintrittsgelder eine Art Anreiz für die Verantwortlichen, Direktoren und Kuratoren: Mit besonders attraktiven Angeboten können sie die wirtschaftliche Situation ihres Museums verbessern.
Meinen Sie, dass man durch gezieltere Werbung mehr zahlendes Publikum locken könnte? Immerhin funktionieren Hollywood-Filme eher wegen der gewaltigen Marketingkampagnen als wegen des Werks an sich.
Das ist wahrscheinlich so. Man denke nur an die Marketingkampagne für die MoMa-Ausstellung in Berlin, die zu den berühmten Schlangen rund ums Haus geführt hat. Wegen der Unterfinanzierung ist das den meisten Museen aber nicht möglich. Dieser Eventcharakter entspricht aber auch nicht meiner Idealvorstellung von Museum. Ich hänge mehr der altmodischen Vorstellung an, dass ein Museum ein Bildungsort ist, bei dem es nicht nur um Entertainment geht. Auch wenn ein gutes Bildungsangebot natürlich immer unterhaltsam ist. Es geht aber um mehr, als nur um das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Außerdem: Auch wenn es häufig Mehrfachbesucher sind, kommen die deutschen Museen mittlerweile auch schon auf weit über 100 Millionen Besuche im Jahr.
Wäre es wünschenswert, dass sich die Museen stärker füllen würden?
Das ist eine gute Frage. Wenn man das Museum im positiven Sinne als Bildungsangebot und als Erweiterung des Horizonts betrachtet, dann kann man nur sagen: Es funktioniert fantastisch, wenn der Eintritt frei ist. Davon profitieren vor allem die Sammlungen der Museen. Diese werden in ganz anderer Art wiederentdeckt, wenn es nicht mehr nur um Sonderausstellungen und Events geht.
In den großen Museen in London, New York oder Los Angeles denkt man aber gelegentlich schon, dass es etwas voll ist. Dafür sieht man unendlich viele junge Leute im Museum, für die der Eintritt sonst ein Problem wäre. Deshalb befürworte ich die Öffnung der Museen, aber nur, wenn der kommunale Träger, das Land oder der Bund den Wegfall der Einnahmen kompensiert. In der Fläche würde dadurch eine Hürde fallen. Die Leute könnten auch einfach nur mal gucken gehen. Das Museum würde als Ort geöffnet - wie in England, wo die Leute in der Mittagspause ins Museum gehen, oder sich nur ein Kunstwerk anschauen. So könnte man das Erlebnis eines Museums viel unkomplizierter in sein alltägliches Leben einbauen.
Wäre es möglich, eine bundesweite Institution zu stärken, die in der Lage ist, Museen individuell zu fördern - Ihre zum Beispiel?
Ich glaube nicht, dass das eine realistische Option ist. Im Ausland beneidet man uns um unser föderales Kultursystem, das sicherstellt, dass wir flächendeckend Kultureinrichtungen bieten können. Die Kehrseite ist: Die Strukturen sind so kleinteilig, dass so etwas regional entschieden werden muss. Der Bund selbst finanziert heute nur einige wenige Museen in Berlin und Bonn.
Museen:Umsonst ist das Leben
Erste deutsche Häuser schaffen die Eintritte ab - mit enormem Erfolg. Das Modell aus Großbritannien sollte sich auch hierzulande durchsetzen.
Ist die Vorstellung realistisch, dass es eines Tages kostenfreie Museen in Deutschland gibt?
In England war es eine bewusste Entscheidung der Regierung, keinen Eintritt für die von ihr finanzierten Museen zu verlangen. Bei uns ist das viel komplizierter. Hier entscheidet jeder Stadtrat für sich. Ein großer Teil unserer Kultureinrichtungen ist kommunal getragen. Da sehe ich keine großen Chancen, weil Städte finanziell immer in der Klemme stecken und es ab 2020 auch das Verbot gibt, neue Schulden aufzunehmen. Da ist einfach der Spardruck wahnsinnig hoch.