Kultur:Haltung bis zum bitteren Ende

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Doppelt schwer: Elisabeth (Nina Steils, Mitte) muss sich vor Männern nicht nur als Unternehmerin, sondern auch deshalb behaupten, weil sie eine Frau ist (von links: Mauricio Hölzemann, Oleg Tikhomirov, Nina Steils, Pascal Fligg, Luise Deborah Daberkow). (Foto: Gabriela Neeb)

Nina Steils gelingt es, jeder Figur etwas Eigenes abzuringen. Nun ist die 26-Jährige in ihrer ersten Hauptrolle am Volkstheater zu erleben: in "Glaube Liebe Hoffnung"

Von Christiane Lutz

Manchmal, im Kaufhaus oder auf Hochzeiten, da macht Nina Steils ganz kurz ihre Augen zu und spürt dem Gewimmel um sie herum nach. Sie mag es, die verschiedenen Emotionen der Menschen zu fühlen, die da auf dichtem Raum umeinander schweben. Alle suchen das Glück, alle streben nach Selbstverwirklichung, alle wollen geliebt werden. Das beobachtet Nina Steils gern - und das passt gut zu Elisabeth, die sie jetzt in Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" spielt. Denn Elisabeth, die ist auch eine, die nach dem Glück strebt, obwohl oder gerade weil es ihr alle schwer machen.

Nina Steils, 26, kam vergangenen Herbst ins Ensemble des Volkstheaters. Seit ihrem Debüt als Amme in "Romeo und Julia" hat sie zum Beispiel die Helena im "Sommernachtstraum", die Canina in "Volpone" und die Linda in "Schöne neue Welt" gespielt. Sie ist eine, der es gelingt, jeder Nebenrolle etwas Eigenes, Unverkennbares abzuringen. Sie hat Mut zum Skurrilen, vor allem Mut zur Komik. Eine Schauspielerin, die es auch in riesigen Kostümen, dicker Maske und großen Gesten richtig krachen lassen kann.

Die Schauspielerei fing für Nina Steils gewissermaßen mit diesen großen Gesten an. Als Kind bespaßte sie Eltern und Verwandte damit, wie sie Werbungen nachsprach - selige Hausfrauen, die Pullis "mit Perwoll" wuschen. Oder Franz Beckenbauer, der sich bei einem großen Telefonanbieter "dahoam" fühlte. Mit 15 brach sie die Waldorfschule ab und ging vom Chiemsee nach München auf die "Abraxas Musical Akademie". Im Anschluss, da war sie gerade 18, jobbte sie sich durch die Stadt: spielte bei "Schuhbecks Teatro" und tanzte in einer Produktion am Gärtnerplatztheater mit. Schauspiel studierte sie dann trotzdem, in Salzburg am Mozarteum. Der Intendant Christian Stückl engagierte sie direkt. Nach dem Vorsprechen bei ihm war Steils begeistert: "Ich habe mir nach seiner Zusage zwar Bedenkzeit eingefordert, mich aber überhaupt nicht gut dabei gefühlt. Mein Bauch wusste nämlich sofort, dass ich ans Volkstheater will."

"Glaube Liebe Hoffnung" ist ihre erste Hauptrolle und ihre erste Arbeit unter Stückls Regie. "Am Anfang war es ganz ungewohnt für mich, dass meiner Person so viel Raum auf der Probe gegeben wird", sagt Steils. "Klingt komisch, aber zum ersten Mal geht es nicht ohne mich."

Für Elisabeth braucht sie jetzt andere Qualitäten als die des hüpfenden Gummiballs, den sie so gut beherrscht. Elisabeth ist eine schnörkellose, wenig kapriziöse Figur, die eigentlich nur aufrichtig leben und arbeiten möchte. Als Vertreterin für Damenwäsche braucht sie in Zeiten der Wirtschaftskrise einen Gewerbeschein, doch dafür fehlt ihr das Geld. Ohne Geld kein Gewerbeschein und ohne Gewerbeschein kein Geldverdienen. Trotz redlicher Bemühungen - in der Not bietet sie ihren Körper dem Anatomischen Institut zum Verkauf an - gelingt es Elisabeth nicht, den Kreislauf zu durchbrechen. Sie landet im Gefängnis und stirbt allein und ohne "Glaube Liebe Hoffnung".

"Für mich geht es darum, bis zum bitteren Ende durchzuziehen, wovon man überzeugt ist", sagt Steils, "individuell zu sein." Natürlich sei das schwierig, gibt sie zu. Vor allem: Was ist schon Individualität, besonders heute, wo jeder individuelle Ausdruck doch wieder nur kollektiv mit Herzen auf Instagram bewertet wird.

Darüber hat sie in den Vorbereitungen auf die Rolle viel nachgedacht. In Cafés und eben in Kaufhäusern, wo alle herumwurschteln und versuchen, aus dem eigenen leben etwas Besonderes zu machen.

Es geht aber auch um eine Frau, deren Streben und Handeln ausschließlich von Männern bewertet werden. "Klar, ihre Situation könnte auch die eines Mannes in der Zeit sein, aber wie mit ihr gesprochen wird, dass man sie nicht für ganz voll nimmt, das kennen doch die meisten Frauen." An einer Stelle sagt Schupo - und der ist Elisabeths Freund: "Ich schätze eine Frau höher ein, die was von mir abhängt, als wie umgekehrt." Das Stück ist kein Stück, in dem eine Frau den Männern zeigt, was sie drauf hat. "Es geht um eine andere Art von Stärke", sagt Steils, "eine geistige, emotionale Stärke." Mitleid brauche man daher nicht mit Elisabeth zu haben, das sei sowieso kein guter Ausgangspunkt für die Arbeit an einer Rolle.

Nina Steils ging daher lieber raus in die Stadt und suchte die wuselnden, ihr Glück jagenden Elisabeths im echten Leben. "Elisabeth ist überall", musste sie feststellen - im Café, in der Tram, im Kaufhaus.

Glaube Liebe Hoffnung ; Premiere am Freitag, 30. November, 19.30 Uhr, Volkstheater

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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