Kritik:Zettel der Sehnsucht

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Isabell Kott und Arno Friedrich als Verliebte beim BND. (Foto: Franz Kimmel)

Burchard Dabinnus entdeckt im HochX die geheime Liebe seiner Eltern

Von Egbert Tholl, München

Das klingt interessant, denkt man sich: Die Eltern von Burchard Dabinnus lernten sich am Arbeitsplatz kennen, beim BND in Pullach, also beim Geheimdienst. Und da dort alles so sein musste, wie der Name verkündet, eben geheim, liebten sie sich, ohne Aufsehen zu erregen, steckten sich Zettel in die Manteltaschen voller glühender Liebesschwüre und Worte der Sehnsucht. Das ging vom Herbst 1956 bis zum Sommer 1957 so, dann heirateten sie und durften sich offiziell lieben.

Jahre später entdeckte Dabinnus die Zettel in Haus der Eltern und machte nun daraus einen Theaterabend. "Flüsterzettel" läuft im HochX und trägt den Untertitel "eine geheime Liebe beim BND", und dieser Untertitel ist so falsch wie richtig. Klar, Heiko und Silvie arbeiteten beim BND und sie liebten sich. Aber: Genauso gut hätten sie bei der Post arbeiten können. Denn "Flüsterzettel" ist zwar eine liebreizende Liebesgeschichte, hat aber mit der Arbeitsstätte der beiden kaum etwas zu tun.

Allerdings: Silvies Zettel sind hinreißend. Er ist ein bisschen unbeholfen, sie liefert Poesie und Witz. "SOS - Bitte schnell einen Zettel. Ich habe solche Sehnsucht danach."Schenkt er ihr Schokolade, findet er daraufhin einen Zettel: "Nur zur Beruhigung: Mir ist schlecht." Weil sie die ganze Schokolade aufgegessen hat. Viele süße Momente erzählen ein älteres und ein jüngeres Paar, Katja Amberger und Christian Buse, Isabel Kott und Arno Friedrich. Sie machen das alle sehr schön, gerade Kott schmiegt sich mit ihrer Wesenhaftigkeit in die Fünfziger Jahre hinein. Ardhi Engl macht dazu eine Musik, die den ohnehin theatral diffusen Abend in Richtig Live-Hörspiel drängt; er hat auch ein paar Videos beigesteuert, deren kunstgewerblicher Charme die Zettel fliegen lässt. Dazu sitzt man auf Papphockern in einem Raum, der ein großer, aufgefalteter Aktensammelpappkarton sein könnte.

Es endet mit einer Ahnung eines Scheiterns dieser Liebe, zu dem es aber nicht kam, sonst könnte Dabinnus ja mangels eigener Geburt nichts erzählen. Dieses mögliche Scheitern hat mit Heikos Zögerlichkeit in Heiratsdingen zu tun und mit der Arbeitsstelle nur insofern, als ein BND-Lohn nicht für die Schrankwand reicht. Ja nun. In winzigen Splittern weht Zeitgeschichte herein, die Organisation Gehlen (Keimzelle des BND) als Sammelbecken hochrangiger Ex-Nazis, Kalter Krieg, Rollenbilder, Frau in (Wasch-)Küche. Aber: Das sind nur Aromen neben einer Geschichte, die rein privat bleibt.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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