Kritik:Versprochen ist versprochen

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Der Jazz-Sommer im Bayerischen Hof löst alle Erwartungen ein - fast

Von Oliver Hochkeppel, München

Wenn man alleine ein Mini-Jazzfestival mit sieben Konzerten an sechs Tagen veranstaltet, braucht man natürlich auch Glück. Dass man die ins Auge gefassten Künstler im Juli überhaupt buchen kann. Dass diese dann das Erhoffte liefern, und sich das Programm mit den überlegten Schwerpunkten und Bögen rundet. Heuer hatte Katarina Ehmki mit ihrem "Jazz-Sommer" im Bayerischen Hof dieses Glück, auch nach der Eröffnung mit Gilberto Gil und Moshulu lösten die Konzerte ein, was sie vorab versprochen hatten.

Joey de Francesco etwa begeisterte im Nightclub selbst anwesende heimische Hammond-Orgel-Profis. Nicht nur als Weltmeister der traditionellen Spieltechnik mit Fuß- und Left-Hand-Bass. Sondern auch, weil der früher auf Standards Abonnierte sich weiterentwickelt zeigte, mit spannenden eigenen Kompositionen und einem um moderne Elemente erweiterten Repertoire. Die Erwartungen übertraf mit seinem Soloabend auch John Medeski, den man in München bisher in diversen Bandprojekten und vor allem im Trio Medeski, Martin & Wood gesehen hatte. Er präsentierte zwei staunenswerte ununterbrochene Improvisationsstunden, die man gerne als "München Konzert" nachhören würde. Ohne Spannung und Konzentration zu verlieren, entrollte er wahre Dramen, die - stark vom perkussiven Charakter des Klaviers getragen - alles an Klangfarben, Dynamik und harmonischen Bezügen boten, was denkbar ist. Eine sichere Sache war wieder einmal China Moses. Ihre Mutter Dee Dee Bridgewater mag die bessere Jazz-Sängerin sein, dafür ist die Fernseh-, Musical- und Radio-gestählte China eine unerreichte Entertainerin. Zu allen Songs ihres Programms "Nightintales" erzählte sie witzige, berührende oder spannende Geschichten, mit ihrer Wirbelwind-Präsenz und R 'n' B-Stimme wickelte sie das Publikum schnell um den Finger, und auch ihre wieder einmal komplett neue Band nahm sie schnell mit - zumal sie sich in ihrer neuen Wahlheimat London mit dem Keyboarder Andrew McCormack oder der Saxofonistin Camilla George aufstrebende Talente geangelt hatte.

Nur der Auftritt von Camille Bertault entließ einen mit gemischten Gefühlen. Der französische Gesangs-Shooting-Star hatte ja mit millionenfach gestreamten Kunststücken wie ihrer Liedfassung von "Giant Steps" oder der Vokalise-Version von Bachs "Aria" höchste Erwartungen aufgebaut. Dies aber blieben dann auch ihre "Hits", und trotz Bertaults beachtlichem Charisma litten viele ihrer mehr beim Chanson als beim Jazz angesiedelten Stücke unter zu viel "Gezwitscher" und Manierismen. Was umso mehr im Vergleich mit Ivan Lins auffiel. Nach dem Auftakt mit dem offiziellen König der Musica Popular Brasileira schloss das Festival mit dem heimlichen - ein perfekter Bogen. Mit seinen eingängigen, nie seichten Hymnen, vor allem aber mit seiner Persönlichkeit ist Lins ein brasilianisches Symbol für Weltoffenheit, Liberalität und Menschlichkeit. So wie der Jazz-Sommer ein Münchner Plädoyer dafür ist.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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