Kopffüssler wie wir:Darauf einen Summerling

Lesezeit: 2 min

Wenn die Welt untergeht: Katharina Greve zeichnet "Die letzten 23 Tage der Plüm" auf.

Von Martina Knoben

Das Ende ist nah! Gemeint sind nicht Klimawandel oder Corona-Pandemie - ein pinkfarbener Punkt ist am Himmel von Plümos aufgetaucht und kommt schnell näher. Offenbar ein Meteorit, der auf den Planeten zurast wie der todbringende Himmelskörper in Lars von Triers düsterem Endzeitfilm "Melancholia" (2011). 23 Tage bleiben den Plüm, bis der Punkt mit ihnen kollidiert. Was tun? Wie handeln, wenn die Welt droht unterzugehen?

Angesichts der Probleme auf unserem Planeten lässt sich der Comic von Katharina Greve als Parabel und satirischer Kommentar zu menschlichem Krisenmanagement verstehen. Dabei sind "Die letzten 23 Tage der Plüm" irre witzig, alles andere als ein strenges Lehrstück. Schon in "Die dicke Prinzessin Petronia", 2019, hatte Greve einen knochentrockenen Humor bewiesen, bei den Plüm wird er nun tiefschwarz: So versuchen sie etwa, den pinken Punkt durch ein Menschen ... nein Plümopfer milde zu stimmen.

Die Plüm als Schildbürger: Ein Wegweiser soll den pinken Punkt zur Kursänderung bewegen. (Foto: Avant Verlag)

Die Plüm, das muss endlich erwähnt werden, sind Kopffüßler, auf deren Strichbeinchen große grüne Köpfe mit menschlich wirkenden Gesichtszügen sitzen. Sie vermehren sich ungeschlechtlich durch Teilung, was aber so anstrengend ist, dass die Plüm schon länger darauf verzichten. Nur noch drei von ihnen sind übrig: Pla, Schte und Rüm. Pinker Punkt hin oder her, die Plüm rotten sich selber aus.

Punkt, Punkt, Komma, Strich, dazu wechselnde Grüntöne - fertig sind die Plümgesichter

In 23 Episoden zeichnet die 1972 in Hamburg geborene, heute in Berlin lebende Greve auf, wie sie den Weltuntergang zuerst versuchen abzuwenden, mit ausgesprochen dämlichen Ideen, ihn dann akzeptieren und nach etwas suchen, das ihrem Rest-Leben Sinn gibt. Es ist die Frage aller Fragen, Philosophen arbeiten sich daran ab, nun auch die Plüm: Was tun im Angesicht des Todes? Kunst schaffen? Sich den Traum vom Fliegen erfüllen? Blöd nur, dass die Plüm so dumm, faul und verfressen sind, dass ihre Unternehmungen in slapstickartigen Unfällen münden oder sie einschlafen, sich mit Summerling betrinken oder lebende Lübose-Würmer grillen (ihre Leibspeise).

Greve arbeitet mit einfachsten grafischen Mitteln, Punkte und Striche, verschiedene Grüntöne und Frisuren charakterisieren die Plüm. Der Planet ist existenzialistisch reduziert, auf einem schwarzen "Boden" ragt schwarz die Silhouette eines blätterlosen Baumes auf, am Himmel steht der pinke Punkt, der von Episode zu Episode größer wird, dazu wechselnde Requisiten - fertig ist die Welt.

Katharina Greve (Text und Zeichnungen): Die letzten 23 Tage der Plüm. Comic. Avant Verlag, Berlin 2020. 104 Seiten, 20 Euro. (Foto: Verlag)

Die Geschichten der Plüm erschienen zuerst 2016 in der Tageszeitung taz, für das Buch wurde die Handlung etwas erweitert. Mit dem Boom der Graphic Novels haben sich viele Comickünstler für diese vermeintlich seriösere Form der Bildergeschichte entschieden - Katharina Greve glücklicherweise nicht. Schon ihr Comic "Das Hochhaus", 2015-2017, war ein großer Wurf. Seitdem zeigt sie immer wieder, was für Möglichkeiten serielles Erzählen bietet. Und dass diese Form für manche Geschichten unschlagbar richtig ist.

© SZ vom 13.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: