Konzerte:Zurück in die Zukunft

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Anatolische Klänge mit "Babolar" und der "Grup Şimşek"

Von Jürgen Moises, München

In den späten Sechzigern und in den Siebzigern gab es mit Selda Bağcan, Erkin Koray, Neşet Ertaş oder Bariş Manço eine ganze Reihe an Musikern, die traditionelle anatolische Musik mit westlichem Pop, Funk, Jazz oder Psychedelic-Rock verbanden. In der Türkei haben diese Musiker fast alle Helden- und Legenden-Status, in Deutschland, Holland, der Schweiz, Frankreich oder Großbritannien werden sie seit einigen Jahren neu entdeckt. Und zwar von jungen Musikern, DJs und Produzenten, die teilweise gar keinen direkten Bezug zur türkischen Kultur haben. Ein Beispiel ist der niederländische Bassist Jasper Verhulst, der 2016 in Amsterdam die Band Altin Gün gegründet hat, um seiner Leidenschaft für anatolische Rockmusik zu frönen. Mit ihren modernisierten Fassungen verschiedener Songs von Selda Bagcan oder Neşet Ertaş war die Band vor ein paar Monaten in der Milla zu erleben.

Etwas ähnlich verhält es sich bei Derya Yildirim & Grup Şimşek, die am Donnerstag, 27. Juni, im Import Export spielen. Zwar hat die in Hamburg lebende Sängerin und Saz-Spielerin Derya Yildirim türkische Wurzeln. Aber ihre drei Mitmusiker, der Organist und Pianist Axel Oliveres aka Graham Mushnik, die Percussionistin Greta Eacott und der Gitarrist und Flötist Antonin Voyant stammen aus England und Frankreich und sind parallel auch noch in anderen Projekten aktiv. Außerdem wurde die 2014 für das New Hamburg Festival erfolgte Gründung der Truppe durch den Musik-Anthropologen, DJ und Schallplattenhändler Sebastian Reier aka "Booty" Carrell initiiert.

Das heißt, auch hier gab ein "Musik-Nerd" den Anstoß, was aber den Reiz von "Kar Yağar" nicht mindert. So heißt das Debüt-Album von Derya Yildirim & Grup Şimşek, das Ende Mai bei Bongo Joe herauskam - dem gleichen Label, bei dem auch die Musik Altin Güns erscheint. Unter den zwölf Stücken sind überzeugende Neu-Interpretationen klassischer türkischer Folk-Songs wie "Dom Dom Kurşunu" von Mahzuni Şerif, aber auch eigene Lieder wie der Opener "Üç Kız Bir Ana", der mit seinem 5/4-Takt im Geist der anatolischen Rockmusik steht und diese schlüssig mit Siebziger-Jahre-Jazz sowie Spuren von Psychedelic und Progrock vermählt.

Der klassische Anatol-Rock und Jazz-Funk der Sechziger und Siebziger hat es auch dem Münchner Bassisten, Sänger und Synthesizerspieler Bora Yildiz, dem Schlagzeuger Tuncer Demiraslan und dessen Sohn, dem Gitarristen Mert Demiraslan, angetan. Zu dritt nennen sie sich Babolar ("Die Väter"), spielen Klassiker von Erkin Koray, Bariş Manço oder Cahit Berkay sowie eigene, in deren Geiste entstandene Songs und treten damit nun in der Glockenbachwerkstatt auf. Im Gegensatz zu Altin Gün oder Grup Şimşek brauchte es bei Babolar keinen äußeren Anstoß. Denn Bora Yildiz und Tuncer Demiraslan sind mit Anatol-Rock aufgewachsen, der 18 Jahre alte Mert bekam, wie er erzählt, die Lieder von seinem Vater zu hören. Und um auch andere an diese "magischen, psychedelischen Klänge" heranzuführen, haben sie Babolar 2017 gegründet.

Babolar ; Di., 25. Juni, 20.30 Uhr, Glockenbachwerkstatt ; Derya Yildirim & Grup Şimşek ; Do., 27. Juni, 20.30 Uhr, Import Export, Schwere-Reiter-Str. 2

© SZ vom 25.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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