Konzert:Optimismus inbegriffen

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Jonathan Jeremiah huldigt in seinem vierten Studioalbum "Good Day" der europäischen Musik der Sechziger- und Siebzigerjahre

Von Vivian Harris

"La la la la la" im Background. Dazu eine lässige Soul-Melodie, ein treibender, aber entspannter Bass und eine warme Stimme, die von Sonne auf dem Rücken, zwitschernden Vögeln und Mädchen in Sommerkleidern singt. Es klingt wie der Soundtrack eines unbeschwerten Tages. "Good Day" heißt der Titelsong des vierten Albums von Jonathan Jeremiah. Es ist eine Ansammlung von Alltagsmomenten - guten, aber auch schlechten -, die der britische Singer-Songwriter in groovigen Soul-Nummern verpackt hat.

"Mir geht es beim Songwriting gar nicht um die verschiedenen Dekaden", sagt Jeremiah über seine Musik, die seit dem ersten Album "A Solitary Man" von 2011 gern mit den Attributen "Retro" oder "Oldschool" versehen wird. Er will aber keinem bestimmten Genre entsprechen. Was er an der heutigen Zeit schätzt, ist die Möglichkeit, viele verschiedene Stilrichtungen zu kombinieren. Niemals würde er seinen Sound als "Retro" bezeichnen. Trotzdem: Die Songs des 38-Jährigen haben einen Charme, der an Soundtracks alter James-Bond-Filme erinnert. Die Melodien sind groovig und melancholisch, die Stimmfarbe ist dunkel und warm. Kombiniert mit aufwendigen Arrangements fühlt sich das schon mal soulig wie die Sixties und smooth wie die Seventies an.

Jonathan Jeremiah wurde musikalisch durch die Plattensammlung seiner Eltern geprägt. (Foto: Glenn-Dearing-Artwork)

"Musik ist meine Auszeit von Technologie, Computerbildschirmen und von der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft", sagt er. Lang war sie für den Londoner auch Therapie. "Ich komme aus einer großen Familie, was mich als Kind manchmal echt überfordert hat." Er war das einzige von fünf Geschwistern, das sich für Musik interessierte. "Wenn die anderen im Haus herumtobten oder Fußball spielten, habe ich mich am Plattenspieler versteckt", sagt der Sänger. "Musik war für mich eine Möglichkeit, dem überfüllten London und einem hektischen Haushalt zu entfliehen."

Er entfloh also - mit Musik von Bill Withers, Terry Callier oder Marvin Gaye. "Soul, Funk und Blues habe ich schon immer viel gehört", erinnert er sich. "Ich kehre auch heute noch gern zu den Songs aus meiner Kindheit zurück." Aber so sehr afroamerikanische Musik ihn damals geprägt hat, jetzt möchte er einen anderen Kontinent würdigen: "Wir fokussieren uns immer auf den amerikanischen Soul und vergessen, dass wir ein reiches Erbe an europäischer Soulmusik haben: Serge Gainsbourg, Dusty Springfield, Jacques Brel, um nur ein paar zu nennen." Auch sie waren Teil der Plattensammlung seiner Eltern genauso wie die Songs der Kinks, der britischen Rockband um die Davies-Brüder. "Ray Davies ist mein Idol", sagt er und erzählt von den Arbeiten für "Good Day", die in den Konk Studios stattfanden, dem Tonstudio des Kinks-Gründers. Elf Songs spielte er für sein viertes Album dort ein, in einer Atmosphäre, in der noch ein altmodisches Verständnis von Musik herrscht und man noch mit analogem Equipment aufnimmt, auf acht oder 16 Kanälen, ganz ohne Computer. "Es war inspirierend, in so einem Umfeld zu arbeiten. Musik ist menschliche Wärme, menschliche Interaktion, und das Studio war einfach der ideale Ort, um mehrere Menschen zusammenzubringen", genau genommen ein 19-köpfiges Streicher- und Horn-Ensemble, Band und Background-Chor.

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So entstanden Songs wie die "The Stars Are Out", das folkige "Mountain" und "Shimmerlove", eine theatralische Ballade, die von einer Freundin handelt, die bei den Vereinigten Nationen arbeitet und Flüchtlinge von Syrien nach Bochum bringt. "Aber eigentlich bin ich in meiner Musik nicht politisch. Ich schreibe über Menschen und das Leben, und das, was eben so passiert." Hin und wieder greift er auch einen Nebensatz von seinem Gegenüber oder sich selbst auf: "Ich liebte ein Mädchen, das Rock 'n' Roll liebt ... Daraus könnte man einen Song machen."

Jonathan Jeremiah , Mo., 25. Februar, Strom

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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