Konzert:Musik mit Zopfmuster

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Alltag, Ossis, Ironie: Romano kommt mit seinem Hip-Hop-Album "Copyshop" ins Strom

Von Ralf Dombrowski

Opernarien wären auch mal was. Seit Jahren nimmt Roman Geike regelmäßig Unterricht, denn ihn faszinieren die klassischen Bühnenstimmen ebenso wie die Möglichkeiten, etwa in barocke Kostüme zu schlüpfen. Bislang allerdings ist er in anderen Konzerträumen unterwegs, bevorzugt in Clubs und kleineren Hallen, wo nicht Smokings und Abendkleider, sondern Caps und Baggy Trousers getragen werden. Unter dem Künstlernamen Romano hat er gerade sein zweites Hip-Hop-Album veröffentlicht, ein Sammelsurium von Alltagsgeschichten, die ironisch aktuell und stellenweise dezent ostalgisch an Zeiten anknüpfen, als Deutschland noch von einer Mauer geteilt wurde.

Denn Geike stammt aus Köpenick, einem kleinbürgerlich geprägten Ostberliner Stadtteil, wo er während der ersten zwölf Lebensjahre noch den Sozialismus miterleben konnte, bis dann die Menschen aufbegehrten und die internationale politische Lage es zuließ, dass sich die Grenzen öffneten. Für den Teenager war das nach dem Schockmoment und einer Phase der Ratlosigkeit vor allem eine Option, endlich alles auszuprobieren, was man einst über Westfernsehen erahnt hatte. "Ich beschreibe das wie einen Kochtopf, dem der Deckel wegfliegt, weil es drin zu heiß geworden ist," erinnert sich Geike an diese Jahre. "Wir als Jugend waren gierig auf alles, was aus dem Westen kam, ob das jetzt die Gothic-Kultur oder Hip Hop oder Hardrock war. Es war wie ein Befreiungsschlag, man wollte sich von der Kette reißen."

Geike genoss es und stolperte von einer Szene in die nächste. Während er tagsüber seine Ausbildung zum Mediengestalter absolvierte, spielte er in seiner Freizeit mit den Identitäten. Er schloss sich einer Metal-Band an, zupfte ein wenig an der Gitarre und brüllte dazu. Er schrieb Rap-Texte, kam über Freunde mit Drum & Bass in Kontakt und tummelte sich eine Zeitlang in dieser Welt. Er ließ sich die Haare wachsen, fand bezopfte Musiker wie Snoop Dog oder auch Reginald Arvizu von Korn ziemlich cool und flocht sich daraufhin die Matte. Als das neue Jahrtausend schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatte, half ihm der Zufall, in die Schlagerbranche hineinzurutschen. Aus Spaß hatte Geike die Single "Blumen für dich" aufgenommen, die ein beachtliches Echo in einschlägigen Idylliker-Kreisen fand. So tingelte er eine Zeitlang durch die Bürgerhäuser der Provinz, so erfolgreich, dass sogar Hochzeiten extra für seinen Auftritt zusammengelegt wurden.

Auf Dauer jedoch war auch das nicht die Perspektive, und so versuchte Geike als Romano sein Glück im Rap. Die Erfahrungen und die Zöpfe halfen ihm, sich inhaltlich und optisch von den bösen Vorstadtbuben abzusetzen. Die Single "Metallkutte" wurde vor zwei Jahren zum Szene-Hit, und Romano beschloss, erst einmal in dieser Welt ein wenig zu verweilen. Allerdings klingt sein zweites Album "Copyshop", das er zusammen mit dem Beatmaster und Produzenten Moritz Friedrich aufgenommen hat, schon wieder anders, ironischer, manchmal eben auch verschmitzt ostalgisch: "Ich wiederhole mich nicht gerne. Die 'Metalkutte' gab's nur einmal, ich wollte da nicht noch einen 'Metaldauerwelle' oder so hinterherschicken. Soll ja auch für mich spannend bleiben. Und deshalb habe ich beispielsweise einen Song - 'König der Hunde' - aufgenommen, wo ich erzähle, 'wie die Ketten reißen, die Mauern brechen, ich stehe ohne Maulkorb auf dem Mittelstreifen, frischer Wind in der Nacht, Weichspüler, Scorpions im Ohr, Zweitakter mit Schwarz-Rot-Gold auf dem Kühler.' Das war die Situation dieser Wendezeit, das zu beobachten, nicht breitbeinig mit angeknipstem Ventilator und offenem Haar auf der Mauer stehend. Nicht Scorpions oder Westernhagen, sondern die Perspektive des kleinen Jungen von nebenan, der die Straßen langläuft, Sachen entdeckt und die Zeit seines Lebens hat - weil es wirklich sehr verrückt war."

Und damit ist Romano nun unterwegs, macht Station im Strom, einem Club, der eigentlich zu klein für seine derzeitige Popularität ist, dafür aber das entsprechende Brothers-Feeling garantiert. Es ist eine Botschaft der Direktheit an die Szene, in der er sich gerade tummelt, wer weiß, wie lang. Denn wenn ihm jemand einen Papageno anbieten würde, Romano würde wahrscheinlich nicht ablehnen. Sollte er dann noch einen cleveren Kostümbildner erwischen, müsste er noch nicht einmal seine Zöpfe abschneiden.

Romano , Do., 2. Nov., 20 Uhr, Strom, Lindwurmstraße 88

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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