Konzert:Lieber liederlich

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Anna Depenbusch im Freiheiz

Von Sophie Garbe, München

In grünem Rock und Bluse steht sie auf der Bühne, lächelt kokett und haucht etwas von kaputter Liebe ins Mikrofon. In diesen Momenten ist man geneigt, Anna Depenbusch als zartes Pop-Püppchen abzustempeln. Tatsächlich verbirgt sich hinter der Fassade aber eine Frau, die keine Kompromisse macht. Zumindest, wenn es um ihre Musik geht. Als die Plattenfirma ihr ein vorgeschriebenes Album vorsetzte, ließ sie sich lieber rausschmeißen als etwas zu singen, das nicht Anna ist. Nach fast fünf Jahren Pause ist die Frau mit der toughen Attitüde nun mit dem neuen Album "Das Alphabet der Anna Depenbusch" auf Tour.

Auch die Musik der Anna Depenbusch will sich keinen Stempel aufdrücken lassen. Sie singt zu Chanson-Melodien vom Ende einer Liebe, nimmt für "Stadt Land Fluss" Country-Anleihen oder fordert mit herzzerreißender Geige und Polka-Rhythmen zum letzten Tanz auf. Dazu gesellen sich mal Trompete oder Akkordeon, mal sind es nur Gesang und Klavier und in "w.w.w. (Was wäre wenn)" tippt der Schlagzeuger den Takt mit einer Schreibmaschine. Die Lieder erzählen von Astronautengefühlen, einer Tretbootfahrt nach Hawaii oder dem süffisanten Versprechen, den Geliebten weiter zu veräppeln. Live funktioniert das besonders gut. Depenbusch verleiht den Liedern mit ihrer gewaltigen Stimme mal Zärtlichkeit, mal charmante Rotzigkeit und verkauft sich dem Publikum als Komplizin, die aus dem Nähkästchen plaudert. Am schönsten wird es, wenn die Chansonnière auf ihr früheres, eher schamloses Repertoire zurückgreift. Dann singt sie in "Tim liebt Tina" vom Wodka saufen und der laut kolportierende Nachbar wird mit "Benja-ja-oh-ja-min" zu einem der besten vorgetäuschten Orgasmen seit "Harry und Sally". Anna Depenbusch mag harmlos aussehen. Aber ihre Musik ist es nicht.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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