Nun hat das Frankfurter Gericht den beiden Kontrahenten genügend Zeit gegeben, den Konflikt um die Anteile oder gar die Existenz des Verlags unter sich auszumachen. Angesichts der extremen Belastung, die der Streit dem Verlag auferlegt, sollte der Aufschub, den das Gericht klugerweise gewährt hat, über Zwischenlösungen hinaus zur endgültigen Einigung führen.
"Der Suhrkamp-Verlag", so äußert sich Barlach im aktuellen Spiegel, "ist eine bedeutende literarische Institution der Bundesrepublik. Es ist deshalb ein Unding, was hier passiert ... Durch unseren Streit wird der Verlag beispiellos destabilisiert."
Genau so ist es. Wenn aber etwas den Verlag noch stärker ins Wanken bringt als die unfassbar vielen Prozesse zwischen den beiden Seiten, dann ist es die Tatsache, dass der Streit auf offener Bühne ausgetragen wird. Die Verletzungen der Protagonisten, die Beschädigung des Verlags, der Zug ins Maßlose und Unversöhnliche, all das gewinnt seine bösartige Dynamik, weil der interne Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter in die große Gladiatorenarena verlegt ist. Auf Dauer kann sich nur der etwas davon versprechen, der die größere Destruktionsbereitschaft besitzt.
Daran, wer auf diese Weise mit dem Feuer spielt, kann zurzeit kein Zweifel bestehen. Nimmt man die giftig auftretenden Schriftsteller des Verlags aus (die ja trotz allem nicht selbst Streitpartei sind), dann liegt der Schwarze Peter, jedenfalls nach der ersten Phase des Streits zwischen 2006 und 2009, als die Familienstiftung noch auf dem hohen Ross saß und glaubte, Barlach als Mitgesellschafter verhindern und deshalb respektlos behandeln zu können - dann also liegt der Schwarze Peter seither bei ihm. Alle paar Tage ein Interview von ihm, das die Gräben vertieft.
Barlach verweigert einen vorübergehenden Frieden
Schon vor dem Gerichtstermin am Mittwoch und auch vor Barlachs jüngstem Spiegel-Gespräch haben die beiden hinter den Kulissen wirkenden Vermittler darauf gedrungen, für die Dauer der Mediation eine Friedenspflicht zwischen den Kampfparteien zu vereinbaren. Für jede Mediation ist es zwingend, dass Prozesse ruhen und öffentliche Stellungnahmen unterbleiben. Doch Barlach hat sich dem verweigert.
Die Idee der Friedenspflicht zeugt von purer Vernunft. Man kennt sie aus den Tarifkonflikten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Das Unterbrechen des Kampfes, um ohne akuten Erpressungsdruck zu verhandeln, gehört zu den Errungenschaften der prozessualen Rationalität. Gerade weil Herrschaft, Macht und Interessenkonflikt hier nicht negiert, sondern nur auf Zeit ihrer antagonistischen Schärfe beraubt werden, stellt ein Moratorium, das den Kugelwechsel durch Argumententausch und Respekt ersetzt, die realistische Chance dar, Kollision in Kommunikation zu verwandeln.
Im Unterschied allerdings zum Tarifkonflikt, bei dem Arbeitnehmer und -geber wissen, dass sie auch danach auf Gedeih und Verderb zusammengeschweißt bleiben, kann die Lösung bei Suhrkamp nur in der Trennung der beiden Streithähne liegen, genauer gesagt, in der Trennung Barlachs von Suhrkamp (siehe SZ vom 25. Januar). Das nimmt aber einem Interimsfrieden nicht den Sinn, im Gegenteil. Denn wenn der Ausgang ohnehin feststeht, mögen die Kampfpartner im Moment noch so ineinander verbissen sein, können die Waffen gar nicht früh genug niedergelegt werden. Muss man Barlach tatsächlich an sein eigenes, wohlverstandenes Kalkül erinnern? Je eher er nachgibt, desto besser wahrt er sein Gesicht. Und je kürzer die Beschädigung des Verlags noch andauert, desto höher fällt der Preis seines Anteils aus.
Tatsächlich zeichnet sich längst ab, dass sich der bittere Streit inzwischen rein quantitativ benennen lässt: Barlach will 30 Millionen Euro für seine Anteile, die Stiftung bietet acht Millionen. Wer nur ein wenig von Unternehmensbewertung versteht, weiß, dass die "Wahrheit", das heißt Suhrkamps materieller Wert, nicht in der Mitte liegt, sondern sehr viel näher beim Angebot der Stiftung als bei Barlachs Forderung.
Und Barlach muss wissen, dass er hier nicht als gleichgeachteter Spieler an einem klassischen Preispoker teilnimmt. Er selbst sät die Zweifel an seiner Integrität. Stets stellt er heraus, dass er sich für den Verlag "verantwortlich" fühle; Suhrkamp gehöre "in gute Hände", um im Sinne Siegfried Unselds "Kontinuität, Ruf und Anspruch" des Verlags zu wahren. Er wird es ungern hören, doch eben dies sollte in seine Rechnung eingehen: Er ist es selbst, der mit seiner Konfliktstrategie, zumal vor dem Hintergrund seiner professionellen Vorgeschichte, die Kontinuität und Reputation des Verlags untergräbt - und damit auch die Chance einer "optimalen" Verwertung seines Suhrkamp-Investments.
Seine Strategie:
Um den Verlag zu "retten", schießt er ihn sturmreif. Die Sorge, die er im Mund führt, dementiert er durch Taten. Indem er den Verlag öffentlich als wirtschaftlich ungesund hinstellt, kann er die tödliche Krankheit auslösen, die er zu kurieren vorgibt: schlicht verantwortungslos.
Ebenso widersinnig, wie er vor der Schieflage des Verlags warnt und sie dadurch verstärkt, verlangt er von ihm die Auszahlung der auf seinen Anteil anfallenden Erlöse in Millionenhöhe. Notfalls solle der Verlag dafür Kredit aufnehmen. Dass er ihn damit finanziell erst recht in die Knie zwingt, scheint er in Kauf zu nehmen.
Autoren des Verlags, die ihn kritisieren, werden diffamiert. Exemplarisch bei Rainald Goetz, den er indirekt als käuflich hinstellt. Angeblich greife Goetz ihn öffentlich an, weil er sich so für den mit 50.000 Euro dotierten Siegfried-Unseld-Preis erkenntlich zeigen könne. Dass Barlach damit schon deshalb entgleist, weil Goetz den Preis nie erhalten hat, macht die Sache nur noch unappetitlicher.
Hohn für die Kontinuität des Hauses
Verlegerische Entscheidungen, die gemeinsam zu fällen wären, blockiert er, für Maßnahmen, die er intern heftig rügt, nennt er keine Alternativen.
Sein Ruf als Investor:
Nicht nur, dass es für einen Verlag wie Suhrkamp generell bedrohlich ist, zum Objekt einer feindlichen Finanzinvestition zu werden, weil sich das mit dem zerbrechlichen Gewebe des geistig-kommerziellen Geschäfts nicht verträgt. Vielmehr schlagen bei Barlach dunkle Flecken auf seiner Weste zu Buche, die den Ruf von Suhrkamp, hätte Barlach eines Tages das Sagen, verderben würden.
Mindestens an drei Unternehmungen war er beteiligt, bei denen seine Geschäftspartner entweder in Konkurs gingen und riesige Vermögensschäden hinterließen oder aus anderen Gründen strafrechtlich belangt wurden.
Während des Sanierungs- und Umbauprojekts "Süllberg" in Hamburg wurde sein Vertragspartner, der berühmt-berüchtigte und später verurteilte Bauunternehmer Roland Ernst insolvent. Anrüchig waren insbesondere die Umstände der Sanierung, da just jener denkmalgeschützte Teil einstürzte, für den Barlach gerne die Abrissgenehmigung gehabt, aber wohl nicht bekommen hätte.
Zusammen mit dem schon erwähnten Josef Depenbrock erwarb er eine "eindrucksvolle Immobilie" in Hamburg, und zwar von einem Unternehmen der Osmani-Brüder, Großfürsten des Hamburger Rotlichtmilieus und ebenfalls später zu Gefängnisstrafen verurteilt. Barlach behauptet, nicht gewusst zu haben, wer hinter dem Unternehmen steckt. Allerdings war dies zuvor sogar in der Hamburger Morgenpost berichtet worden - deren Miteigentümer und Herausgeber er damals gemeinsam mit Depenbrock war.
Der vielfach vorbestrafte und insolvente Kaufmann Helmut Bierwirth sammelte betrügerisch Gelder für die Nutzung einer Wasserquelle in Niedersachsen und ließ im Grundbuch eine Dienstbarkeit eintragen, um sich die Ausbeutung der Quelle zivilrechtlich zu sichern. Die behördliche Genehmigung für die Förderung des Wassers fehlte ihm allerdings. Barlach beteiligte sich und ließ sich ebenfalls eine Grunddienstbarkeit eintragen. Bierwirth fiel in Konkurs, die Quelle entpuppte sich als schwarzes Loch für die Anleger, Strafverfahren gegen ihn schlossen sich an. Barlach beruft sich auch hier auf Unkenntnis und wäscht seine Hände in Unschuld.
Natürlich hat Barlach auch seriöse Geschäfte realisiert, doch machen sie diese Fälle nicht vergessen. Nachdem er mit Gruner und Jahr den Kaufvertrag über TV Today abgeschlossen hatte, besorgte er sich die Finanzierung des Kaufpreises von Burda, ohne dies dem Hamburger Verlagshaus offenzulegen - was ein Manager von Gruner und Jahr mit dem erbosten Resümee quittierte: "Barlach ist kein ehrbarer Hamburger Kaufmann." Noch drastischer ein Topmanager der Bauer-Verlagsgruppe anlässlich eines anderen Deals: Barlach sei "ein skrupelloser Zocker".
Selbst wenn man ihm in all den dubiosen Fällen die Unschuldsvermutung zubilligt, ist offenkundig, dass er Suhrkamps Ruf schwer schadet. Spürt er auch nur den Hauch jener Verantwortung, die er reklamiert, bleibt ihm nur ein Schluss. Wie gesagt, je früher er ihn zieht, desto besser.