Kommentar:Schau an, ein Held

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Juan Moreno enttarnt den Reporter-Scharlatan Relotius - und muss sich gegen seltsame Vorwürfe wehren.

Von Ralf Wiegand

Gegen massive Widerstände enttarnte Juan Moreno den Reporter-Scharlatan Relotius - und musste sich selbst gegen Vorwürfe wehren. (Foto: Daniel Roland/AFP)

Für den Journalisten Juan Moreno war das ein irres Jahr. Gleich drei Scoops lieferte er ab, wo andere Reporter froh wären, nur einen davon landen zu können - einen in drei Jahren. Moreno, freier Journalist mit Pauschale beim Spiegel, bekam Uli Hoeneß für ein Fernsehinterview vor die Kamera, das Gespräch veredelte eine ARD-Dokumentation über den scheidenden Präsidenten des FC Bayern. Im September bekam Moreno im Dschungel von Kolumbien exklusiven Zugang zu den Rebellen der Farc, den "Revolutionären Streitkräften" Kolumbiens, die es angeblich gar nicht mehr geben soll. Und dann stand ein Buch von Juan Moreno, 46, Sohn andalusischer Bauern, vorübergehend auch noch auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste, ausgerechnet, möchte man hinzufügen, denn sein Nummereins- Hit "Tausend Zeilen Lüge" beschäftigt sich ja mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin und dessen Versäumnissen beim rasanten Aufstieg des Reportagen-Erfinders Claas Relotius.

Die Enttarnung dieses Claas Relotius, die Moreno Ende 2018 auf eigenes Risiko betrieben hatte, weil er als Co-Autor mit dem Spiegel-Shootingstar an einer Reportage arbeitete und ihm dessen Recherchebeiträge verdächtig vorkamen, hat den Reporter zu einer Art Helden gemacht. Das Netzwerk Recherche, ein Verein zur Stärkung des investigativen Journalismus, zeichnete im Mai Morenos Mut, in der eigenen Branche, gegen den eigenen Auftraggeber im Sinne der Wahrheit recherchiert zu haben, mit seinem Ehrenpreis aus. Und die FAZ schrieb über ihn, er habe nicht weniger als den Spiegel gerettet.

Doch Moreno, der früher auch für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hat, ahnte schon beim Verfassen seines Buches, dass das mit dem Heldentum so eine Sache ist. "Die traurige Wahrheit ist aber", schrieb er, "dass ich kein Held bin. Mich macht die Enttarnung des Fälschers Relotius nicht zum Vorbild für Journalisten." Er wisse, was der Reporter Juan Moreno über einen wie ihn denken würde: "Schau an, ein Held, interessant. Mal sehen, wie lange?"

So ähnlich muss auch die Redaktion der Wochenzeitung Die Zeit gedacht haben, als sie exklusiv eines Schreibens des Medien- Anwalts Christian Schertz habhaft wurde. Diesen Brief an den Rowohlt-Verlag, in dem der Anwalt für seinen Mandanten Claas Relotius die Wiederholung einiger Behauptungen in Morenos Buch verhindern will, nahm das Blatt zum Anlass für einen sagenhaft unfairen Artikel: Es setzt darin mögliche sachliche Fehler mit vorsätzlichen Fälschungen gleich, so als sei dieser Moreno auch nicht besser als Relotius. Obwohl nicht einmal erwiesen ist, ob die Stellen, die Relotius im Buch kritisiert, tatsächlich Fehler enthalten und obwohl Relotius verlangt, Details seiner komplett erfundenen, erlogenen Geschichten müssten korrekt wiedergegeben werden, schrieb die Zeit: "Vor der Ansteckungsgefahr, die offenbar vom Morbus Relotius ausgeht, scheint selbst Juan Moreno nicht ganz gefeit zu sein, jener Mann, der sich zutraute, die Diagnose zu stellen."

Faktenfälscher Relotius verteidigt das Copyright auf seine Lügen, und die Zeit hilft dabei, den Whistleblower Moreno wie einen Täter aussehen zu lassen: Wer den Journalismus hasst, wird seine Freude daran haben.

© SZ vom 01.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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