Kommentar:Räuber und Raubgut

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Jörg Häntzschel ist Redakteur im Feuilleton. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Erhard Göpel war einer der übelsten Kunsträuber Hitlers. Wie geht man mit einer Schenkung aus dem Nachlass eines solchen Besitzers um?

Von Jörg Häntzschel

Zu den vielen Werken von Max Beckmann in der Berliner Nationalgalerie kommen demnächst hundert weitere: 46 Grafiken, 52 Drucke und zwei Gemälde. Vererbt hat sie ihr die Kunsthistorikerin Barbara Göpel, die letztes Jahr gestorben ist. Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. Doch sie ist es nicht. Denn Barbara Göpel war die Frau von Erhard Göpel, und der war nicht nur ein Freund Beckmanns, sondern auch einer der übelsten Kunsträuber Adolf Hitlers.

In ihrer Pressemitteilung vom Dienstag haben die Berliner Staatlichen Museen das nicht verschwiegen. Sie haben auch versprochen zu prüfen, ob sich unter den Werken Raubkunst befinde. Doch wichtiger ist hier die Frage nach dem Kunsträuber. Wie behandelt man die Sammlung eines solchen Manns? Und wie vermeidet man es - zumal als Beschenkter - das relativierende Narrativ fortzusetzen, auf dem Göpel seine Nachkriegsexistenz aufbaute und das die Witwe bis zu ihrem Tod am Leben hielt?

Göpels Aufgabe war es, überall in Europa Kunst für das "Führermuseum" in Linz zusammenzukaufen. Christian Fuhrmeister und Susanne Kienlechner vom Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte schildern in einem Aufsatz, der dieser Tage veröffentlicht wird, wie er die Drohung von Deportation und Ermordung nützte, um Preise zu drücken. Um dem Kunsthistoriker August Liebmann Mayer Informationen über eine Sammlung abzupressen, ließ er dessen Abtransport in den Tod eigens um eine Woche verschieben. Im März 1944 wurde Mayer in Auschwitz getötet.

Die US-Besatzer empfahlen nach dem Krieg, Göpel als Kriegsverbrecher zu verurteilen. Doch er verschwand in der Provinz und tauchte erst 1950 in München wieder auf - als Beckmann-Retter und Freund der Moderne. Ganz konnte er seine Vergangenheit nicht vergessen machen. Während Kunstraub-Kollegen nach dem Krieg auf ihre alten Posten zurückkehrten, lehnte das Ministerium eine Anstellung Göpels bei den Münchner Pinakotheken ab. Stattdessen arbeitete er als Kunstkritiker (auch für die SZ).

"Ein Bild wird nicht dadurch schlecht, dass es im Besitz eines moralisch zweifelhaften Menschen war", sagt Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Museen. Aber er ergänzt: "Wie man das Göpel-Porträt im Museum zeigt, der Frage müssen wir uns stellen und dazu müssen wir eine Antwort finden."

Ähnlich äußert sich Udo Kittelmann, der Direktor der Nationalgalerie: "Wir können nicht mehr nur eine ästhetische Geschichte erzählen. Wir müssen die Sozialgeschichte, die Zeitumstände einbinden." Wenn das gelänge, trotz der persönlichen und institutionellen Verbindlichkeiten, ohne die es die Schenkung nicht gäbe, wäre das gut. Der Versuch darf am Ende nicht so ausfallen wie bei der Gurlitt-Ausstellung in Bonn, wo man mit dem "Ambivalenz"-Motiv die historische Wahrheit so zerrieb, dass sie einem wie Sand zwischen den Fingern zerrann.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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