Kommentar:Digitales Dornröschen

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E-Books könnten alles bieten, was das Herz des digitalen Lesers begehrt. Trotzdem geht der Verkauf zurück. Was können die Verlage dagegen tun?

Von Nicolas Freund

Sind E-Books auch Bücher? Zumindest die Mehrwertsteuer ist da jetzt eindeutig. Als Teil des Jahressteuergesetzes, das die Bundesregierung beschlossen hat, werden Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in Zukunft einheitlich mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt, unabhängig davon, ob sie gedruckt oder digital erscheinen. Bisher galt für digitale Publikationen der normale Steuersatz von 19 Prozent, der ermäßigte nur für gedruckte Erzeugnisse.

Dass diese Anpassung so spät kommt, lag weniger an der Bundesregierung als an der Europäischen Union, deren Rat erst im vergangenen Jahr den Mitgliedstaaten die Gestaltung der Besteuerung freigestellt hat. Die Entscheidung war überfällig, denn ausschlaggebend für den Steuersatz sollte nicht die Frage sein, ob der gleiche Inhalt auf Papier gedruckt wird oder digital erscheint. Die Gründe für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Printprodukte gelten auch für die digitalen Versionen. Und die immer wichtigeren digitalen Vertriebswege werden nun nicht mehr staatlich benachteiligt.

Für die Verlage ist die Senkung natürlich erfreulich, auch wenn sich viele Branchenvertreter schon darüber beschweren, dass die Regelung nicht für Datenbanken gelten soll, mit denen viele Fachverlage arbeiten. Ob E-Books eines Tages als gleichwertige Produkte angesehen werden, entscheidet über die Zukunft der Digitalsparten der Verlage möglicherweise mehr als diese Senkung der Abgaben. Denn das E-Book hat größere Probleme, als es der nicht-ermäßigte Mehrwertsteuersatz war.

Das gedruckte Buch gewinnt neue Stärke als Ausweg in der digitalen Dauerberieselung.

E-Books machen nach wie vor nur einen sehr geringen Umsatzanteil am Buchmarkt aus. Laut der Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels liegt ihr Anteil derzeit bei 5,7 Prozent des Umsatzes. Das ist eine kleine Steigerung zum Vorjahr, doch relativiert sich auch diese, weil die Zahlen in anderen Bereichen rückläufig sind. Das E-Book wächst, anders als in den Jahren nach seiner Einführung, längst nicht mehr. Von dem kleinen Aufschwung 2018 abgesehen, stagnieren Absatz, Umsatz und Käuferzahlen seit Längerem und gehen teilweise sogar zurück. Manche Verlagsmitarbeiter meinen schon, das E-Book sei zu vernachlässigen. Dabei liegen die Gründe für diese ernüchternden Zahlen auch teilweise bei den Verlagen, die das Potenzial digitaler Publikationen oft nicht ausschöpfen.

Sie vermarkten noch immer vor allem das gedruckte Buch fürs gemütliche Leseerlebnis mit Kuscheldecke und Kräutertee. Und es stimmt ja, viele Leser suchen genau das. Aber eben nicht alle. Die Vorteile der E-Books - leichte und schnelle Verfügbarkeit, niedrigerer Preis, potenzielle Umweltfreundlichkeit, leichte Ergänzung von Zusatzinhalten - werden kaum ausgespielt. Digitale Publikationen lassen sich um Videos, Tonaufnahmen, Links oder interaktive Grafiken und Karten erweitern. Doch auch mit diesen Möglichkeiten experimentieren die Verlagen nur zaghaft.

Ausgerechnet das E-Book scheint sich nicht in die digitale Gegenwart einzufügen. Das gedruckte Buch entwickelte in Zeiten digitaler Dauerberieselung eine neue Stärke als Ausweg aus der Allgegenwart der Bildschirme. Das E-Book müsste sich dagegen voll auf die Bedingungen des Digitalen einlassen, und nicht nur eine Ableitung aus dem Printprodukt sein.

Im besten Fall ließe sich ja beides kombinieren. Bei Schallplatten, die wieder in Mode sind, ist es nicht unüblich, dass der Kunde zum Kauf eine digitale Version dazubekommt. Warum bekommt der Käufer nicht zum gedruckten Buch eine digitale Ausgabe dazu? Das gebundene Buch fürs Regal zu Hause und den gleichen Inhalt auf dem Smartphone immer und überall verfügbar: Das entspräche der medialen Gegenwart.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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