Kolumne Spurensuche:Kugelwesen

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"Der Kuss" von Gustav Klimt (1908). (Foto: mauritius images / The Artchives / Alamy)

Brangelina lässt sich scheiden, übrig bleiben Angelina Jolie und Brad Pitt. Sie standen für die differenzlose symbiotische Liebe - die aber gibt es nur in der Kunst.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Die Sehnsucht nach Symbiose setzte Gustav Klimt ins Bild.

Brangelina, dieses glamouröse Kugelwesen zweier innig Liebender, ist entzweigebrochen, übrig bleiben Angelina Jolie und Brad Pitt. Einzelkämpfer sind sie jetzt, auf sich gestellt im Rosenkrieg der öffentlich ausgetragenen Scheidung. Der eine angeblich ein Kiffer, die andere eine Alle-Kinder-gehören-mir-Mama, schön wird das nicht. Vor allem nicht für das Publikum, das etwas anderes wollte und bekam von dem Schauspielerpaar - die Illusion der Unzertrennlichkeit.

Das konnte ja nicht gutgehen. Komplett symbiotische Liebe, differenzlos glücklich, das mag eine verbreitete Sehnsucht sein, aber ist sie lebbar jenseits der allerersten Säuglingsmonate? Eher nicht, jedenfalls nicht mit einem selbständigen Erwachsenen, der oder die nun mal ein Individuum voller Geschichten und Eigenheiten ist. Liebenswert sicher, aber immer und zum Glück anders als man selbst. Also muss dieser Wunsch von der Realität in die Kunst abwandern, heute in den Prominententratsch, früher beispielsweise in die Malerei.

Ein Spezialist für allerlei Fantasien vom Begehren war Gustav Klimt, der um die vorletzte Jahrhundertwende in Wien Liebesträume und -albträume schürte. Viele seiner weiblichen Gestalten sind so schön wie bedrohlich, alles verschlingende Furien, deren Locken einen zu strangulieren drohen. Dann aber malte er 1908 für die Kunstschau in Wien ein Liebespaar, das ineinander und in viel Gold zu versinken scheint. Mann und Frau sind nur durch die Muster ihrer Gewänder zu unterscheiden, er trägt eckige Formen, sie florale. Die Außenwelt blenden die beiden und ihr Maler aus; der Hintergrund des Bildes ist unbestimmt, der Boden eine unspezifische Blumenwiese.

Die Neue Galerie der Stadt (heute das Belvedere) kaufte das Gemälde noch aus der Ausstellung heraus an. Im Laufe der Jahre wurde es das wohl populärste Motiv Klimts, es prangt auf Teetassen und Kalendern. Ist "Der Kuss" aber wirklich nur innig? Nicht ganz. Der Mann küsst seine Schöne bloß auf die Wange, und sie kniet in äußerst unbequemer Position vor dem Freund. Richtig erfüllt, einig, ewig leidenschaftlich wirkt das nicht, beziehungsweise: Wenn so die symbiotische Liebe aussieht, ist es gut, dass es sie nicht gibt.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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