Kleine Nachtkritik: Beckmann:Lämmer, die vom Leitwolf reden

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Die drei Strauß-Kinder ehren den Papa, und SPD-Mann Beck findet "Münte" doch gut. Nur ein alter Spiegel-Mann goss bei Beckmann Essig in den Wein.

Ulrich von Schwerin

Sieht so eine Verliererin aus? Man hätte erwarten können, dass Monika Hohlmeier, nachdem sie gerade den Wiedereinzug in den bayerischen Landtag verpasst hat, zumindest ein wenig angespannt wirkt. Und dass Gabriele Pauli, die im Tross der Freien Wähler soeben ins Parlament gekommen ist, zumindest ein bisschen beschwingt erschiene.

Moderator Reinhold Beckmann in seinem TV-Studio in der Hamburger Speicherstadt. (Foto: Foto: ARD)

Grund genug gäbe es: Die eine hat zwei Jahre, nachdem sie sich aufgrund eines Münchner CSU-Skandals aus der Landesregierung zurückziehen musste, von den Wählern die rote Karte gezeigt bekommen. Die andere ist, nachdem sie vergangenes Jahr infolge ihrer Kritik am Parteichef aus der CSU ausgetreten ist, in ihrem Kurs bestätigt worden.

Doch an diesem Abend bei "Beckmann" in der ARD ist es Monika Hohlmeier, die beschwingt erscheint, während Gabriele Pauli, die per Videoübertragung hinzugeschaltet wird, eher defensiv wirkt. Ist die Strauß-Tochter Hohlmeier so gelöst, weil sie ihre beiden Brüder, Max und Franz Georg, an ihrer Seite weiß? Oder etwa, weil womöglich Moderator Reinhold Beckmann versprochen hat, keine Fragen dazu zu stellen, wie sie mit ihrer Wahlniederlage zurechtkommt?

Nach einem sehr kurzen Exkurs zu dem weißblauen Wahldebakel, kommt Talkmaster Beckmann denn auch zu den ganz wichtigen Fragen des Lebens: dem Verhältnis der Strauß-Kinder, die hier erstmals alle drei in den Medien vereint sind, zu ihrem mächtigen, wohlmöglich gar übermächtigem Vater Franz Josef, der vor 20 Jahren gestorben ist. Der war noch ein Leitwolf!

Verehrt, verteufelt sei Franz Josef Strauß gewesen, heißt es im eingeblendeten Porträtfilm, der ebenso wohlwollend ist, wie Beckmanns anschließende Fragen harmlos sind. Der langjährige CSU-Patron, der viele Affären durchzustehen hatte, erscheint in der Rückschau wie ein oberbayerischer Heiliger, dem sie demnächst noch eine Wallfahrtstätte bauen werden. Kaum eine Spur von Kritik an dem heftig umstrittenen Politiker, es bleibt bei Nettigkeiten.

Reinhold Beckmann will mit seinen naiv bohrenden Fragen die gute alte Zeit wiederaufstehen lassen. Was genau sagte der Vater zu den Schulnoten der Kinder? Wie erlebte die Familie den vielbeschäftigten Papa? Nicht mit Gewalt, sondern mit Worten habe er sie zu überzeugen gesucht, erzählt Monika, auch abweichende Meinungen habe er akzeptiert.

Es sei keineswegs immer von Vorteil gewesen, sagt Franz Georg, in Bayern Kind dieses Vaters zu sein. Für ihn als Unternehmer sei es bei Aufträgen vom Staat vielmehr ein Problem gewesen. Unerwähnt bleibt, dass Strauß und seine Freunde dem Filius beispielsweise sehr halfen, als er sich mit einem verlustreichen Regionalsender namens TV Weiß-Blau versuchte.

Ein wenig Bewegung kommt dann doch noch in die Friede-Freude-Eierkuchen-Runde, als Beckmann den Journalisten Erich Böhme an den Tisch bittet. Der heute 78-Jährige war lange Zeit Chefredakteur des Spiegels und auch schon während der Spiegel-Affäre 1962, die Strauß das Amt des Bundesverteidigungsministers kostete, beim Hamburger Nachrichtenmagazin beschäftigt gewesen.

Harmoniewächter Beckmann lenkt ab

Er wolle ein wenig Essig in den Wein kippen, sagt Böhme. Und legt los: Franz Josef Strauß sei ein brachialer Politiker gewesen - vielmehr ein berserkerhafter Arbeiter mit brachialer Kraft, hakt Sohn Franz Georg ein, der ja gerade sein Buch über den Vater vermarktet. Doch Erich Böhme lässt sich nicht beirren: Strauß sei brachial vorgegangen, um Karriere zu machen, bis an die Grenzen der demokratischen Spielregeln.

Sehr viel weiter kommt der routinierte Magazinmann, dessen Blatt einst aus Auflagengründen gerne die Strauß'schen Erinnerungen als Vorabdruck gebracht hat, aber nicht. Harmoniewächter Beckmann unterbricht, lenkt ab. An einer echten Diskussion scheint ihm kaum gelegen. In der Causa Strauß soll es doch keinen Streit geben!

Bei seinem nächsten Studiogast bietet sich Beckmann aber doch die Möglichkeit, seine journalistischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Kurt Beck ist geladen, und Beckmann nimmt ihn zu seinem Rücktritt vom SPD-Parteivorsitz ins Verhör. Ausführlich diskutieren sie die Abläufe jenes Wochenendes Anfang September am Schwielowsee, als der neue Parteichef auf einem Parkplatz vor dem Restaurant bestimmt wurde.

Ja, Beckmann kann unerbittlich sein. Drei Mal drängt der Moderator den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten, die Namen jener Intriganten zu nennen, die er für seinen Sturz verantwortlich macht. Drei Mal lehnt dies Beck mit einem Lächeln ab. Überhaupt wirkt er gelöster, entspannter und wacher als vor seinem Rücktritt. Nur, dass er das einmal Begonnene nicht zu Ende habe bringen können, ärgert den Sozialdemokraten.

Er habe gehofft, dass Politik über die Phase hinaus sei, hinten über die Bande zu spielen, sagt Kurt Beck, bevor er zu einer Generalkritik an der Berliner Politikerkaste ausholt. Er wolle nicht akzeptieren, dass in der Politik der Umgang eines Wolfsrudels herrsche, so steht es auch auf dem Cover seiner jüngst erschienenen Biographie. Diese sei im Internet zusammen mit dem ebenfalls neuen Buch "Macht Politik!" des designierten SPD-Chefs Franz Müntefering im Doppelpack billiger zu haben, meint Beckmann.

Ob Müntefering der bessere Vorsitzende sei? Ja, erwidert Beck, vielleicht werde "Münte" der bessere Leitwolf sein. Für eine lammfromme Diskussion war das dann doch eine überraschende Pointe.

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