Klassikkolumne:Tragik und Schatten

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Wer sich ein wenig Mühe gibt, kann jenseits des Klassikmainstreams sehr leicht große Entdeckungen machen: Suks "Asrael" etwa oder ein Violin-Basstuba-Duo.

Von Harald Eggebrecht

Eine der finstersten Traueraufwallungen von monumentalem Ausmaß hat der tschechische Komponist Josef Suk 1906 mit seiner Symphonie "Asrael", benannt nach dem alttestamentarischen Todesengel, geschaffen, ein wüstes, ausgreifendes Fanal tiefen Schmerzes. Suk begann acht Monate nach dem Tod seines Schwiegervaters Antonin Dvořák 1904 mit der musikalischen Trauerarbeit. Da starb auch noch seine junge Frau Ottilie. Doch er verstummte nicht: "Die Musik hat mich gerettet und nach einem Jahr begann ich den zweiten Teil der Symphonie, beginnend mit einem Adagio, ein zartes Porträt von Otilka." Das Werk wird leider außerhalb Tschechiens, dort ein Zentralstück der Musik im 20. Jahrhundert, nur sehr selten aufgeführt. Dabei dürfte es keinen geben, der nach einer gelungenen Aufführung nicht erschüttert wäre. Nun ist die einzige Aufnahme erschienen, die der große tschechische Dirigent Karel Ančerl (1908-1973) je eingespielt hat, 1967, nicht mit der Tschechischen Philharmonie, die er in 18 Jahren zu Weltruhm führte, sondern mit dem einstigen Südwestfunk-Orchester Baden-Baden (SWR Classic). So klar wie intensiv, so untröstlich schwarz wie lindernd zart in den lyrischen Teilen macht Ančerl Suks "Asrael" zum Menetekel aufwühlender Tragik.

Ein überragender Violaspieler unserer Zeit ist der Amerikaner David Aaron Carpenter. Gesegnet ist er mit einem ungemein offensiven, manchmal verzehrenden Ton von so lyrischer wie dramatischer Kraft. Darüberhinaus, und erst damit wird aus einem tollen Instrumentalisten ein bedeutsamer Musiker, vermag Carpenter große Zusammenhänge zu gestalten. Er spielt also nicht drauflos von Takt zu Takt, sondern entfaltet etwa Béla Bartóks Violakonzert oder das grandiose Konzert von William Walton als weiträumig strukturierte Entwicklungsprozesse. Auf der Doppel-CD (Warner Classics) gibt es auch eine Kuriosität: Carpenter erfüllt sich den Wunsch, Dvořáks Cellokonzert auf der Bratsche zu spielen. Interessant, aber im Vergleich zum Original nur ein Schatten.

Im begeisternden Boom junger Streichquartette ist das französische Quatuor Hermès eine besonders aparte Blüte. Das Klangfarbenspektrum des Ensembles ist nahezu ganz auf Seiten der Helligkeit angesiedelt. Da aber finden die Vier alle nur denkbaren Valeurs und Nuancen des Schimmerns, Flirrens, Funkelns, Gleißens und darin auch des Dämmerns und Verdunkelns. Sehr gut wahrzunehmen auf der CD mit den drei Meisterwerken französischer Quartettkunst schlechthin von Claude Debussy, Maurice Ravel und Henri Dutilleux (La dolce vita). Um nicht missverstanden zu werden, die Hermès-Leute sind nicht nur Farbenjongleure, sondern auch Klangarchitekten, denn alle drei Stücke verlangen konstruktiven Geist und einen untrüglichen Sinn für Balance und Rhythmus.

Der Name Hjalmar Borgström (1864-1925) dürfte nur ausgemachten Kennern skandinavischer Musik etwas sagen. Der Norweger ging nach Studien in Kristiania (Oslo) nach Leipzig, wie nahezu alle nordischen Komponisten im 19. Jahrhundert. Erst 1903 kehrte Borgström nach Norwegen zurück, aber als überzeugter Spätromantiker deutscher Prägung. Dass er nicht wie Edvard Grieg eine speziell "norwegische" Musik schuf, machte es ihm schwer. Als Kritiker aber wurde er sehr geschätzt. Jetzt hat die junge, bezwingend frisch artikulierende Geigerin Eldbjørg Hemsing das dreisätzige Violinkonzert von Borgström ausgegraben und mit den Wiener Symphonikern unter Olari Elts eingespielt, nicht nur als noble Pioniertat, sondern geigerisch wie musikalisch hinreißend.(BIS)

Der Gedanke, sich Violine und Basstuba beim Duospiel vorzustellen, grenzt ans Surreale. Doch wenn zwei so ausgemachte Virtuosen wie der brillante Violinist Benjamin Schmid und der Staunen erregende Tubist Andreas Martin Hofmeir sich zur "Stradihumpa" zusammen finden, kommt vitale, witzige, überraschende und höchste Virtuosität verlangende Musik dabei heraus. Sie fetzen nicht nur Johan Halvorsens berühmte Passcaglia oder Antonio Bazzinis "Gnomenreigen" souverän hin, sondern bieten vor allem herrlich kauzige Jazz-Stücke von Georg Breinschmid, Jörg Duda oder Florian Willeitner. Das ist so lässig wie ausgereizt, dass man sich nach mehr solchen Violine-Tuba-Duos sehnt. (ACT)

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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