Klassik:Encore!

Lesezeit: 1 min

Eine ganze CD voller Zugabenstücke? Wirkt das nicht so zuckrig wie eine Schachtel Pralinen? Nicht wenn Schumann Schumann spielt!

Von Gustav Seibt

Encore - noch einmal, das ist der französische Ausdruck für die "Zugabe" am Ende eines Konzerts, ein Seufzer, eine Bitte: Es war so schön, ich könnte gleich nochmal loslegen, lasst uns noch ein wenig zusammenbleiben. Aber ganz wörtlich ist dieser Wunsch dann doch nicht. Das Encore ist das zarte Extra oder der brillante Rausschmeißer, wehmütiger Abgesang oder türenknallender Schluss. Große Solisten entscheiden nach Tagesform des Publikums, sie belohnen Andacht und Aufmerksamkeit, rummsen noch einmal an gegen Gehüstel und Unkonzentriertheit. Oder sie machen beides: langes Winken mit dem Taschentuch, dann die rasende Pirouette, der Kraftbeweis, der sagt, ich könnte noch stundenlang so weiterbrausen. Mark Schumann, der fabelhafte Cellist des jungen Schumann-Quartetts (man heißt wie der Komponist und spielt ihn oft) hat ihm zusammen mit dem Pianisten Martin Klett eine CD gewidmet (Short Stories, Encore Pieces by Paganini, Mendelssohn, Chopin u.v.a., Genuin classics, 19,95 Euro). Die beiden konzentrieren sich auf zart verträumte Stücke und übersetzen sie für ihre Instrumente, das Cello und das Klavier, für die sie ursprünglich alle nicht komponiert worden waren. So kann man Chopins Klavier-Nocturne

op. 9, Nr. 2 mit schmelzendem Streicherklang neu entdecken, und es klingt, als könnte es gar nicht anders sein, ebenso Schumanns "Abendlied" aus den Klavierstücken für große und kleine Kinder. Die mediale Neujustierung lässt viele solcher altbekannten Stücke wie neugeboren klingen - man sollte öfter arrangieren. Ein Haydn-Divertimento von 1767 lässt einen Vorklang von Schubert erahnen. Musikhistorisch steht hinter diesem gewitzten Umschreiben die Tradition der Salonmusik, dieser bürgerlichen Version des höfischen Divertimentos. Gedacht für den Hintergrund, muss sie sich dem Ohr so einschmeicheln, dass man aufhorcht, stehenbleibt und sich anwehen lässt von einer "promesse de bonheur", dem Glücksversprechen, das den Kunstanspruch der Musik direkt ins Blut injiziert. Paganini, Fritz Kreisler, David Popper, Anton Rubinstein sind Komponisten, denen die Hotelhalle und das Café nicht zu gering erschienen - ein Tränchen, ein Lächeln, solchen Versuchungen kann man nicht widerstehen.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: