Klassik:Countertenor Franco Fagioli

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(Foto: Deutsche Grammophon)

Er ist einer der besten seines Fachs und feiert das neue Jahr mit einem fantastischen Händelalbum: Franco Fagioli.

Von Helmut Mauró

Viele, zum Teil herausragende Countertenöre haben in den vergangenen 40 Jahren sicherlich entscheidend zur Renaissance der Barockoper, zudem im Originalklang, beigetragen. Denn die virtuose Kopfstimme kommt dem Kastraten-Original meist näher, als dies konventionelle Operndiven erreichen. Für Countertenöre hat die Sache allerdings den Nachteil, dass sie - in krassem Gegensatz zu den damaligen Star-Kastraten - schlechter bezahlt werden als ihre weiblichen Kollegen der großen romantischen Oper. Darüber sehen die Stimmkünstler, die mittels Kopfstimme und einer Mischung aus Kopf- und Bruststimme den Kastraten-Klang imitieren, großzügig hinweg. Und dem Hörer ist die Kunst ohnehin wichtiger als das Künstlereinkommen.

Das ist auch bei einem der besten seines Fachs so: dem argentinischen Countertenor Franco Fagioli. Der feiert das neue Jahre mit einem Händel-Album (DG), das die ganz großen Arien aus den Opern Oreste, Serse, Rinaldo, Imeneo, Il pastor fido, Rodelinda. Giulio Cesare, Ariodante und Partenope vereint. Das Ensemble "Il pomo d'oro" begleitet, Zefira Valova dirigiert von der Geige aus - einer Carcassi von 1760. Fagioli beherrscht nicht nur die Koloratur-Rasereien etwa der Rinaldo-Arien virtuos, er wächst gerade dort über sich hinaus, wo man mit reiner Technik und besten natürlichen Voraussetzungen allein nicht mehr weiterkommt. Wenn es darum geht, mit einer fiktiven historischen Figur so zu verwachsen, dass man anfängt, sich selber zu Siezen - dann ist man auf einem Niveau angekommen, auf dem aus Klangschönheit musikalische Wahrheit wird. Fagioli erreicht dies spätestens dann, wenn er als verzweifelter Tirinto um die Treue seiner Rosmene bangen muss. Da legt er so viel seufzende Sehnsucht und mild-melodiöse Hoffnung in seine Stimme, dass das lieto fine, das glückliche Ende, unausweichlich erscheint. Aber, oh weh, Rosmene entscheidet sich gegen ihren Liebhaber Tirinto und für ihren Lebensretter Imeneo. Und auf einmal kippt die Stimmung dieser gemeinhin als Komödie verstandenen Oper in eine veritable Tragödie. Leider singt Fagioli nur diese eine Arie aus Imeneo - und die ist noch nicht einmal der Höhepunkt dieser CD; man würde nun gerne die ganze Oper hören.

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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