Die irrste Verwandlung erlebt man gleich in den ersten Minuten. Im Prolog - es ist das Jahr 1981, wir sind in Reno, Nevada - sehen wir Matthew McConaughey als jenen glühend attraktiven, dynamischen Typen, als der er uns aus seinen Romantic-Comedy-Jahren in Erinnerung geblieben ist. Mit smarten Verkaufssprüchen und Gewinnerlächeln auf den Lippen windet er sich zielsicher durch die ockerfarbene Bürowelt des Bergbauunternehmens, das sein Großvater hochgezogen hat und das sein Vater jetzt leitet. Die Geschäfte laufen gut für die Washoe Mining Corporation.
Sieben Jahre später ist aus dem Glück verheißenden Firmenerben Kenny Wells ein abgehalfterter Trunkenbold geworden - der Vater ist gestorben, der Sohn hat die Firma bei abflauender Konjunktur gegen die Wand gefahren und erledigt die Geschäfte kettenrauchend von der Bar aus, in der seine Freundin Kay (Bryce Dallas Howard) serviert.
McConaughey spielt seinen Karriereweg nach - vom Posterboy zur Charakterplauze
Auch der Schauspieler McConaughey ist kaum wiederzuerkennen: Wie zur Rekapitulation seines Karrierewegs - man denke an die Rollen in "Magic Mike", "Dallas Buyers Club" oder "True Detective" - tritt vor den Augen des Kinopublikums aus dem gut aussehenden Posterboy der Charakterdarsteller heraus: Prall spannt der aufgeblähte Bierbauch über der immer gleichen, knittrigen Bundfaltenhose; fahrig saugt er an den Winston-Zigaretten, schwitzt unentwegt und die paar aschblonden Strähnen, die noch nicht seiner mehr als unvorteilhaften Fastglatze gewichen sind, liegen klebrig an den Hinterkopf. Ein gewiefter Verkäufer ist dieser glücklose Kenny Wells immer noch, vor allem aber ist er eine dieser archetypischen Figuren des amerikanischen Kinos: ein Mann mit einem Traum, ein Getriebener, ein Zocker.
Als Kenny kurz davor ist, auch die letzten Überreste seiner Firma zu verlieren, träumt er im Whiskey-Vollrausch von einer versteckten Goldader im sattgrünen indonesischen Dschungel. Überstürzt reist er nach Borneo, um mit den Geologen Mike Acosta (Edgar Ramirez) auf Schatzsuche zu gehen. "Wir machen halbe-halbe. Wir stopfen den Zweiflern das Maul", schreiben sie als Vertrag auf eine Papierserviette. Nachdem sie trotz Monsunregen und Malariafieberschüben tatsächlich auf Gold stoßen, verschiebt sich die Filmhandlung in der zweiten Hälfte in die Yuppie- Welt der Wall Street: In den keimfreien Konferenzsälen der Anzugträger und Moneymaker wird fortan eine Gewinnerwartungen nach der nächsten herausgeprustet und trickreich um die Millionen geschachert.
Zusammengehalten werden die beiden auch visuell sehr unterschiedlichen Teile von McConaugheys aufgeheizter One-Man-Schauspiel-Show. Der 47-Jährige spielt sich in einen Wolf in der Rolle des hochtrabenden Instinktmenschen Kenny Wells, der aus voller Überzeugung und mit fiebrig leuchtenden Augen Sätze wie "Das Gold rief mich" hervorstößt. Man wird aber das Gefühl nicht los, dass McConaughey den Bogen überspannt. Die großen Gesten, das angeberische Method-Acting, die fast komödiantisch übertriebene Glatze - all das ist immer wunderbar energiegeladen und bis zu einem gewissen Grad unterhaltsam. Die feine Linie zwischen sympathisch und pathetisch, auf der er in früheren Rollen fast schlafwandlerisch zu balancieren verstand, trifft er diesmal allerdings nicht. Mitunter wirken die Auftritte wie eine Persiflage auf seinen eigenen ostentativen Schauspielmodus. Der Träumer Kenny Wells wird zwischendurch zum Clown.
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Dass der Film mit seiner von dem Regisseur Stephen Gaghan eigentlich clever angelegten Doppelbödigkeit zwischen Kapitalismussatire und Selfmade-Drama trotzdem nie richtig zündet, liegt aber nicht nur an McConaughey. Die Geschichte, die sich an die wahren Ereignisse rund um die kanadische Gesellschaft Bre-X Minerals und deren vermeintlichen "Goldfund des Jahrzehnts" anlehnt, erzählt Stephen Gaghan zu bemüht. Man merkt seiner Inszenierung an, dass er die Amerika-Fabel von der wilden Jagd nach Reichtum auf anderem Weg ergründen will als in seinem Regiedebüt "Syriana" oder dem episodischen Drogen-Drama "Traffic" (für dessen Drehbuch er einen Oscar gewann). "Gold" soll weniger als engmaschiges, realistisch komplexes Erzählnetz funktionieren, sondern als emotionale Beleuchtung geopolitischer und wirtschaftlicher Machtstrukturen - eine moderne Abenteuergeschichte zwischen "Der Schatz der Sierra Madre" und den Börsenzockereien in "The Big Short" oder "The Wolf of Wall Street".
Entsprechend rasant wird die Montage oft von den groovigen Rhythmen des Funk-Soundtracks vorangetrieben, oder Gaghan fächert die Bilder spielerisch in Split-Screen-Sequenzen auf, wie man sie etwa aus "American Hustle" kennt. Ein wirklicher Rauscheffekt stellt sich trotz der sichtlichen Anstrengungen aber nicht ein. Gaghan bleibt ein analytischer Storyteller, er erzählt die wahnwitzige Geschichte des Kenny Wells aus einer seltsamen Distanz. Wo man gern näher an die nervösen Rasselgeräusche von Kennys Raucherlunge herankäme, tickt nur leise das unaufhörliche Räderwerk des Kapitalismus.
Gold , USA 2016 - Regie: Stephen Gaghan. Buch: Patrick Massett, John Zinman. Kamera: Robert Elswit. Schnitt: Douglas Crise, Rick Grayson. Mit: Matthew McConaughey, Edgar Ramirez, Bryce Dallas Howard, Corey Stoll, Bruce Greenwood. Verleih: Studio Canal, 121 Minuten.