Kino:Psychogramm der Gesellschaft

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Lügen und betrügen: Basti, Vater eines behinderten Sohnes, polierte seine Vita auf und plünderte das Kita-Konto. Im Film erklärt er sich. (Foto: David Spaeth/Eikon Media)

David Spaeth erzählt in seinem Dokumentarfilm "Betrug" eine reale Schwabinger Hochstaplergeschichte

Von Anna Steinbauer, München

Ein moderner Robin Hood oder einfach nur ein skrupelloser Lügner? Basti kommt aus dem Osten, ist arbeitslos und hat eine Vorliebe für protzige Karren. Außerdem hat er einen behinderten Sohn und einen Hang zum Fabulieren. Mehr als das: Er ist ein Betrüger. Um im Auswahlverfahren für einen Kindergartenplatz in der wohlhabenden Elterninitiative in Schwabing besser anzukommen, poliert Basti seine Biografie etwas auf. Mit BWL-Studium und Inklusionsbonus landet er schließlich dort, wo er immer sein wollte: unter den vermeintlich Reichen und Gebildeten. Als Vorzeigevater hilft und engagiert er sich und übernimmt den Finanzvorstand des Kinderhauses. Als Basti feststellt, dass auf dem Kinderhauskonto weit mehr als eine viertel Million Euro liegen, baut er den anfänglichen Betrug auf abenteuerliche Weise aus und lebt ein Leben, das er sich niemals erträumt hätte. Zwei Jahre dauert es, bis Verdacht geschöpft wird. Denn, wer betrügt schon in einem Kindergarten?

Auf Basis dieser wahren Begebenheit, drehte der Regisseur David Spaeth seinen Dokumentarfilm "Betrug", der an diesem Freitag bei den Filmkunstwochen München zu sehen ist. "Dieser Betrug ist uns passiert und es war ziemlich früh klar, dass ich einen Film darüber machen wollte", sagt der Regisseur, der selbst Teil der betrogenen Schwabinger Elterninitiative war. Zunächst sei das aber nicht so einfach gewesen, denn die Betroffenen waren alles Freunde. Die Suche nach der richtigen Form für sein Projekt dauerte ein paar Jahre. Schließlich ließ sich der Freundeskreis überzeugen, pärchenweise Gespräche vor der Kamera zu führen, und auch Basti, der inzwischen im Gefängnis saß, erklärte sich zum Interview bereit. "Ich hatte eine Sammlung an Material, aber die formale Strenge ergab sich erst danach", erzählt der Filmemacher, der seit Kurzem an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) in der Dokumentarfilm-Abteilung lehrt. Durch die geschickte Montage wirkt es im Film so, als würden Betroffene und Betrüger miteinander im Dialog stehen und gegenseitig ihre Sichtweisen der Geschehnisse preisgeben. Und diese gehen unglaublich auseinander - man weiß als Zuschauer zunächst nicht, welcher Seite man seine Sympathie schenken soll.

"Das Motiv, den Film zu machen, war: Wie kann so etwas passieren?", sagt David Spaeth, der in der Doku zusammen mit seiner Frau vor die Kamera tritt. "Jeder bildet sich was auf seine Menschenkenntnis ein, aber dass man so daneben liegen kann, war sehr verblüffend und verstörend." Die nüchtern-klassischen Interview-Aufnahmen erzählen von der unglaublichen Karriere eines Hochstaplers, Schalk und Geschichtenerzählers. Denn das ist Bastis besonderes Talent: den Menschen seine eigene Wahrheit aufzudrücken, die er zunächst erzählt und dann lebt. "Basti wickelt im Film den Zuschauer um den Finger. Die ersten 50 Minuten gönnt man ihm die Robin-Hood-Variante, später merkt man, dass er eigentlich gar keiner ist", sagt der Regisseur, der zuletzt mit dem Musikerporträt "La Brass Banda" aufgefallen war, das er ebenfalls auf dem Dok-Fest München vorstellte. Erst sind es nur Champagner und Kaviar bei den Elternabenden, die der Hochstapler mit der Bankkarte des Kinderhauses finanziert. Dann gemietete Ferraris, eine neue Wohnungseinrichtung, Edelcallgirls. "Bei vielen läuft im Kopf ein Spielfilm ab, wenn der Betrüger zu erzählen beginnt", sagt Spaeth. Weil die Form nicht das Futter dazu gibt, entstehen die Bilder dazu parallel im Kopf der Zuschauer. "Der Dokumentarfilm ist für mich nur eine Möglichkeit, Geschichten zu erzählen", so der Regisseur, der zunächst auch fiktionale Elemente vorgesehen hatte. Diese erwiesen sich allerdings als nicht notwendig.

War der Betrug von Anfang an geplant, oder hat sich der Möchtegern-Bonze immer mehr in seinem Lügengebäude verfangen, wie er behauptet? Es habe ihn schon gewundert, warum da so viel Geld in der Kasse eines Kinderhauses sei, sagt Basti und betont, wie selbstverständlich sein "neuer" Lebensstil unter den reichen Schwabingern aufgenommen wurde. Und natürlich ist der Finanzvorstand kein beliebter Posten, wie der Regisseur erzählt: "Man fragt da nicht groß, das freut jeden, wenn das jemand macht." Er habe sich eben "gut verkauft", sagt der Betrüger.

Und was sagt diese Geschichte über die Gesellschaft aus? "Basti ist ein Zerrspiegel. Irgendwo in dem, was er erzählt, schlummern Wahrheiten. Aber nicht, wie er sie erzählt", so Spaeth. "Hochstaplergeschichten liefern immer auch ein Psychogramm der Gesellschaft."

Betrug , Regie: David Spaeth, Fr., 3. Aug., 18 Uhr, Rio Filmpalast, Rosenheimer Straße 46, mit Gespräch; im TV am Mi., 22. Aug., 22.45 Uhr, ARD

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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