Kino:Großmaul mit Mission

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Zur richtigen Zeit: Der Schauspieler Charly Hübner hat einen Dokumentarfilm über die linke Punkband "Feine Sahne Fischfilet" gedreht - und ihren Kampf gegen rechts in Mecklenburg-Vorpommern.

Von Annett Scheffel

Es ist schwierig geworden mit der Heimat: politisch aufgeladen, von rechtsnationalen Kreisen vereinnahmt, und dass es neuerdings sogar einen Minister dafür gibt, macht die Sache auch nicht einfacher. Was Heimat in Mecklenburg-Vorpommern bedeutet, jenem fernen Landstrich, der vom Rest gern als Dunkeldeutschland voller Neonazis und "national befreiter Zonen" abgetan wird, darum geht es in Charly Hübners Dokumentarfilm "Wildes Herz". Zusammen mit Co-Regisseur Sebastian Schultz hat der Schauspieler, den man sonst vor allem als unrasierten, kaputten, aber auch komischen Typen kennt, die in Meck-Pomm beheimatete Punkband Feine Sahne Fischfilet und deren streitlustigen Sänger Jan Gorkow mehr als drei Jahre begleitet: bei Konzerten, Studioaufnahmen, Bootsausflügen - und vor allem beim Kampf gegen Rechtsextremismus in ihrer Heimat.

"In Berlin-Kreuzberg wäre ich wohl der unpolitischste Typ weit und breit gewesen." - Jan "Monchi" Gorkow (Mitte) mit seiner Band Feine Sahne Fischfilet. (Foto: Neue Visionen)

Der Film kommt im richtigen Moment: Feine Sahne Fischfilet, die wegen ihrer Texte mehrfach unverhältnismäßig prominent im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern auftauchten, sind mit ihrem brachial-bierseligen, aber immer entschieden antifaschistischen Ska-Punkrock mittlerweile im Mainstream angekommen. Ihr aktuelles Album "Sturm und Dreck" (Audiolith) stand im Januar auf dem dritten Platz der deutschen Charts. Und die Geschichten, die "Wildes Herz" über konkretes politisches Engagement erzählt, sind angesichts der Rechtsdrift wichtiger denn je.

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"In Berlin-Kreuzberg wäre ich wohl der unpolitischste Typ weit und breit gewesen. Aber bei uns zu sagen: 'Ich find Nazis scheiße!' - damit ist man schon die absolute Vollzecke ", sagt Sänger Monchi einmal. Charly Hübner kennt diese Verhältnisse gut. Auch er ist in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen. Anders als seine Protagonisten ist er aber als junger Mann vor 25 Jahren abgehauen, um das Leben zu beginnen, das ihn nun als Filmemacher wieder zurückgeführt hat. Vielmehr noch als ein Film über Heimat ist "Wildes Herz" allerdings das Porträt eines charismatischen Großmauls mit einer Mission geworden: Die anderen fünf Bandmitglieder kommen zwar auch zu Wort, aber Jan Gorkow, den alle nur "Monchi" nennen, ist der Mittelpunkt der Dokumentation. In nüchtern inszenierten Bildern sieht man ihn als egozentrische Bühnensau, verschwitzt im rot glimmenden Licht bengalischer Feuer und auf den Händen des Publikums. Man sieht ihn beim Baden in der Ostsee, als aufgedrehtes Kind in alten Familienvideos und bei offenherzigen Interviews. Gorkow ist kein diplomatischer Typ. Er will nicht mit Rechten reden, sondern den "Faschistenschweinen in den Arsch treten". Er plant Antifa-Aktionen, klebt Plakate an Bushaltestellen und brüllt mit glühenden Wangen auf Demos linke Parolen. Über weite Strecken begleitet der Film die Band, wie sie 2016 vor der Landtagswahl unter dem Motto "Noch nicht komplett im Arsch" durch Dörfer und Kleinstädte tourt.

Rassismus und Sexismus, sagt Gorkow einmal, habe auch er im Kopf

Hübner ist uneingeschränkt auf ihrer Seite, leuchtet aber auch Ambivalenzen in Gorkows Biografie aus. Er zeigt seine Vergangenheit als Hansa-Rostock-Hooligan und auch die enttäuschten Eltern, die erzählen, wie sie den 14-Jährigen aus dem Gewahrsam holten und um seine Zukunft bangten, als er mit 18 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird, weil er ein Polizeiauto angezündet hatte. Gorkow selbst verheimlicht die eigenen Fehler genauso wenig wie seine klare politische Kante. Er ist ein Berg von einem Mann, der lieber ehrlich und angreifbar ist, als nur die halbe Wahrheit zu erzählen. Rassismus und Sexismus, sagt er einmal, habe auch er im Kopf, aber er versuche, darüber nachzudenken und sich von seinen anderen Seiten leiten zu lassen. Schon allein deshalb ist "Wildes Herz" keine klassische Heldengeschichte, sondern ein streitbarer Film, der mehr Fragen aufwerfen will, als er beantwortet: Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen Heimatverbundenheit und Nationalismus? Wie reagiert man auf Hass und das Gefühl der Hilflosigkeit? Wo anfangen und wie den Arsch hochkriegen?

Wildes Herz , D 2017 - Regie: Charly Hübner, Sebastian Schultz. Kamera: Martin Farkas, Roman Schauerte. Mit Jan Gorkow. Neue Visionen, 94 Minuten.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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