Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

Die Neuverfilmung von Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte verbindet liebevoll Autorenbiografie und Märchen. Und Jan Josef Liefers, Armin Rohde und Jürgen Vogel spielen in einer Rockband.

Von den SZ-Filmkritikern

Cold War

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(Foto: dpa)

Zwei Liebende, Wiktor und Zula, für die es keinen Platz auf der Welt zu geben scheint: nicht im kommunistischen Polen, wo die beiden sich nach dem Krieg kennenlernen, und nicht in Paris, wohin Wiktor 1952 flieht. Pawel Pawlikowski entwirft in einem fast quadratischen Filmformat verführerisch schöne, coole Schwarz-Weiß-Bilder, die die Figuren einengen, in denen sie aber immer wieder auch fast verloren gehen. Von Ort zu Ort werden die Liebenden getrieben und von einer Klangwelt in die nächste: Beide sind Musiker, aber weder Volksmusik noch Jazz, weder Chanson noch der Rock´n Roll, zu dem Zula leidenschaftlich tanzt, können beiden eine Heimat bieten.

Der Dolmetscher

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(Foto: dpa)

Ich schlaf doch nicht im Zimmer mit einem Mann, der eine Pistole hat, meint Georg, der Ex-Lehrer, zu Ali Ungar, dem 80-jährigen Übersetzer, mit dem er unterwegs ist. Mit der Pistole wollte der eigentlich Georgs Vater erschießen, einen SS-Mann, der womöglich verantwortlich ist für den Tod von Alis Eltern. Jiří Menzel, der große Filmemacher des Prager Frühlings, ist Ali, Peter Simonischek ist Georg in Martin Šulíks Film. Der Vater ist tot, und Georg beschließt, nach dessen Spuren zu suchen, mit Ali, als Dolmetscher. So kreuzen sich auf magische Weise die Erinnerungen mit Ereignissen in der Slowakei heute.

Hans Blumenberg

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(Foto: Copyright RealFiction)

Wer war Hans Blumenberg? Das fragte sich der Filmemacher Christoph Rüter und begab sich auf die Spuren des Philosophen. Leider ist der Film zur Auseinandersetzung mit Intellektuellen, die vor allem Bücher geschrieben haben, ein ungeeignetes Medium. Denn der Film muss etwas zeigen. Und bei Blumenberg gibt es viel zu lesen, aber wenig zu sehen. Um dieses Problem zu lösen, fährt Rüter zu Orten, an denen Blumenberg mal gewesen ist, und Klassenkameraden erzählen, wie der Hans so war. Das zeigt vor allem, dass man einen Ausnahmedenker nicht im Vorbeigehen zu fassen bekommt. Zwischendrin filmt Rüter dann noch einen echten Autounfall. Schiffbruch mit Zuschauer.

Jupiter's Moon

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(Foto: Festival)

Der E.T. ist in diesem Film ein Flüchtling aus Syrien, beim Grenzübertritt von Serbien nach Ungarn wird er angeschossen. Das setzt magische Fähigkeiten in ihm frei, er ist plötzlich imstande zu schweben, hoch über dem Boden. Ein Engel, ein Messias? Ein Doktor will die faszinierenden Fähigkeiten des Jungen verwerten. Ein kleiner magischer Film von Kornél Mundruczó, der sich wohlfühlt beim Versuch, die Wirklichkeit auf den Kopf zu stellen. Einer der Monde des Jupiter, die Galileo entdeckte, hat den Namen Europa.

Der Mann, der Weihnachten erfand

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(Foto: dpa)

Die Neuverfilmung von Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte ist eine Synthese aus Autorenbiografie und Märchen. Bharat Nalluri zeigt den jungen Dickens in der Krise, geplagt von Schreibblockade, Zeitdruck und finanziellen Nöten. Die liebevolle, üppig ausgestattete Erzählung findet zwar einen neuen Zugang zum bekannten Stoff, verzettelt sich aber beim Versuch, Fiktion und Wirklichkeit zusammenzubringen.

Matangi/Maya/M.I.A.

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(Foto: Copyright Rapid Eyes Movies)

Steven Loveridges Doku ist eine intime, bruchstückhafte Erforschung der tamilisch-britischen Sängerin, die in ihrer Collage-Struktur die Mash-up-Ästhetik spiegelt, mit der Mathangi "Maya" Arulpragasam in den Nullerjahren zur Pop-Ikone aufstieg. Besonders die vielen Archivaufnahmen (viele davon in den letzten 20 Jahren von ihr selbst gedreht) öffnen faszinierende Zugänge zur Biografie einer kühnen und widerspenstigen Frau, deren kulturelle und künstlerische Identität sich hier zwischen Migrationserfahrung und Musikkarriere noch einmal neu zusammensetzt.

Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot

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(Foto: W-Film.)

Ein Zwillingspaar, Elena und Robert, lernt fürs Abitur - für ihre Philosophie-Prüfung, denn er hat es nicht geschafft, und das bedeutet, dass sie allein fürs Studium wegziehen muss. Philip Gröning filmt die intensive, inzestuöse Beziehung zwischen den beiden, sieht ihnen zu, wie sie versuchen, die Welt zu begreifen und dabei die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit immer mehr aus dem Blick verlieren - es ist eine Suche nach menschlichen Entwicklungsmechanismen, nach der Koppelung von mangelnder Wahrnehmung und Zerstörung. Das Ergebnis ist halb Meisterwerk, halb Nervensäge - und wird leider, wie sehr viele deutsche Filme, in einen überflüssigen Exzess hineingetrieben.

Murer - Anatomie eines Prozesses

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(Foto: Filmladen)

Graz, 1963. Der als "Schlächter von Vilnius" berüchtigte Franz Murer (Karl Fischer) muss sich vor Gericht für seine NS-Verbrechen verantworten. Zeugenaussagen jüdischer Überlebender belegen seinen Sadismus. Die österreichische Nachkriegsgesellschaft, die sich als "Hitlers erstes Opfer" stilisiert, beharrt auf Murers Unschuld. Christian Frosch zeichnet die Verhandlungen fesselnd nach und setzt dem "Jerusalem des Nordens" ein Denkmal.

So viel Zeit

9 / 11
(Foto: dpa)

Die Story einer Band, die im Bochum der Achtziger fast berühmt ist. Dreißig Jahre, unzählige Skatrunden und eine Gehirntumordiagnose später versuchen die Männer ein Comeback. Von Frank Goosens ohnehin mäßig origineller Romanvorlage ist wenig übrig geblieben, Philipp Kadelbach macht daraus eine bemühte Feelgood-Komödie. Jan Josef Liefers, Armin Rohde und Jürgen Vogel spielen die Kumpels, natürlich außen hart und innen ganz weich.

Verschwörung

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(Foto: dpa)

Nach Noomi Rapace und Rooney Mara spielt Claire Foy die dritte Version der Romanfigur Lisbeth Salander aus den "Millennium"-Krimis. Ihre Interpretation der Borderline-Detektivin verhält sich zum harten Original ungefähr so wie Roger Moore zu James Bond. Aber Fede Alavrez macht aus der faden Romanvorlage einen anständigen Thriller im düsteren schwedischen Winter.

Wo bist du, João Gilberto?

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(Foto: N/A)

João Gilberto hat 1958 die Bossa nova erfunden. Und er weigert sich seit Jahren, andere Menschen zu treffen. Das sagt uns der Dokumentarist Georges Gachot, und das lässt ihm keine Ruhe. Er sucht nach Gilberto, folgt dessen Spuren in Gegenwart wie Vergangenheit. Daraus wird das Tagebuch eines Stalkers, in dem man mehr über die Obsessionen des Regisseurs erfährt, als über Gilberto oder dessen Musik.

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