Kerner: "Wie schlau ist Deutschland?":Bachelor für Boxenluder

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Kerner glänzt in seiner Rolle als Oberlehrer im ZDF - und bringt uns bei: Brechen Sie Ihr Studium ab und werden Sie Bergmann! Eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Wenn es mal wieder besonders langweilig wird, kann man sich ja mal überlegen, wie man das Außerirdischen erklären würde, was man da gerade sieht. Also, nur so zum Spaß:

Bisschen was fürs Auge: The Lady is a Boxenluder - RTL-Moderatorin Nazan Eckes kam im Rennwagen ins Studio - für die Rennwagenfahrer, denen sie vorstand. (Foto: Screenshot: ZDF)

Ein Raum, ausgekleidet mit orangen Leuchtfeldern, die eine Mischung aus Freundlichkeit, Wärme, Retro-Style und Familienshows der siebziger Jahre ausstrahlen sollen, wird von ein paar hundert Menschen bevölkert, die sich brav in streng aufgeteilte Sitzfelder haben einreihen lassen.

Diese Menschen - die meisten tragen Brillen und graue Haare - werden aufgeteilt nach den Tätigkeiten, denen sie nachgehen, wenn sie nicht gerade im Publikum einer meinungsbildenden TV-Show sitzen.

Ein Viertel von ihnen sind "Rennfahrer" - das sind Menschen, die in schnellen Autos fahren, meistens aber im Kreis. Sie werden dafür in der Regel gut bezahlt, weil es genügend andere Menschen gibt, die ihnen gerne dabei zuschauen, weil ihnen selbst das auch gefallen würde, sie aber das Zuschauen dem Verunglücken vorziehen. Ein weiteres Viertel besteht aus "Bergleuten" - das sind Menschen, die schlechter bezahlt werden, weil ihnen niemand bei ihrer Arbeit zuschauen will. Ein weiteres Viertel besteht aus ehrenamtlichen Helfern - das sind Menschen, die gar keiner bezahlt, weil ihre Arbeit zu wichtig ist, als dass man sie mit Geld aufwiegen könnte. Das letzte Viertel besteht aus Menschen, die ihre vielversprechende Berufsausbildung abgebrochen haben und "Studienabbrecher" heißen. Niemand weiß genau, ob und wofür sie bezahlt werden. Aber danach fragt auch keiner.

Einfach mal lachen

Diese vier "Berufs"-Gruppen werden vertreten durch vier sogenannte Prominente in der Manege. Prominente sind Personen, die besonders gut bezahlt werden, weil ihnen besonders viele Menschen dabei zugucken, was immer sie auch tun. Diesmal sollen sie mit ihrem Wissen über die Welt glänzen. Das ist eine Disziplin, in der die meisten von ihnen ungeübt sind, deshalb ist die Stimmung im Publikum so angestrengt heiter.

In der Mitte thront der Moderator. Das ist ein Mensch, der bei den ersten beiden deutschen Fernsehsendern unbedingt blond sein sollte, und der genauso gut bezahlt wird wie ein Prominenter, weil er gerne mit ihnen spricht. In diesem Fall fühlt sich der Moderator sehr wohl in seiner Haut, weil er die Sendung schon zum siebten Mal leitet - und weil ihm eine Rolle zugedacht wurde, die ihm gefällt, nämlich die des Oberlehrers. Das ist eine weitere Berufsgruppe von Menschen, die immer alles besser wissen als andere, aber gerne bereit sind, es den dümmeren Menschen zu erklären.

Damit der Moderator trotzdem symphatisch wirkt, haben sich die Macher dieser Show einen Kniff ausgedacht, da der Typus "Oberlehrer" insgeheim vom Publikum verachtet wird. Deshalb tut der Moderator so, als habe er sich sein Wissen gerade erst irgendwo angelesen und werde es direkt nach der Sendung schnell wieder vergessen. Das findet das Publikum lustig.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie sich die Prominenten schlagen.

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Die Prominenten müssen gar nicht erst so tun. Sie können die meisten Fragen aus Tierreich, Physik oeder Sprachwissenschaft gar nicht erst beantworten. Und wenn sie doch mal etwas wissen, dann tun sie so, als sei die Antwort sehr schwierig. Das findet das Publikum aber nur dann lustig, wenn es nicht gerade durch diesen Prominenten vertreten wird.

Nazan Eckes, Armin Rohde, Jutta Speidel und Guido Cantz dürfen sich durch das Blumenmädchen in ihrer Mitte geehrt fühlen. (Foto: Screenshot: ZDF)

Aus irgendeinem Grund konkurrieren die vier Berufsgruppen im verdunkelten Teil des kuschelig-orangen Studios miteinander, und auch sie können die Fragen per Abstimmung beantworten. Wer die meisten Fragen richtig beantwortet hat, ist der Sieger des Spiels. Deshalb tritt ab und an eine ebenfalls blonde Frau auf, die Zahlen zum Spielstand aufsagt. Die jeweiligen Sieger stehen auf, jubeln und setzen sich wieder.

In genauso unregelmäßigen Abständen werden von Menschen, deren Berufsstände nur angegeben werden, wenn sie studiert haben, Tiere ins Studio geführt. Diese Tiere sind den Menschen besonders unähnlich und werden deshalb als unförmig empfunden, worüber die Menschen lachen müssen. Wenn sie gerade eine Frage aus dem Tierreich falsch beantwortet hatten, geht es ihnen nach der Vorführung dieser für sie lustigen Gesellen wieder prima.

Einmal wird ein Zeichentrickfilm eingespielt, der einen Ameisenbären zeigt, der eine Ameise frisst, aber da lacht niemand. Dafür wird umso mehr gelacht, als sich der Moderator zusammen mit den Prominenten über die lange Nase eines zufällig auf der Straße befragten Mannes oder über die Figur eines Tierpflegers lustig macht, der ihm gegenübersteht.

Ansonsten wird noch ein Mensch, der besonders gut schwimmen kann, in ein übergroßes Trinkglas getaucht und bekommt dabei überhaupt keine Gelegenheit zum Schwimmen. Der Moderator, der alle Menschen bewundert, die besser Sport machen können als er, wollte nur demonstrieren, dass der Mensch untenrum trocken bleibt, wenn er zuvor mit Babypuder eingestäubt wurde. Das ist nicht weiter verwunderlich, sorgt aber wieder für Heiterkeit.

Moderator gefällig?

Am Ende gibt es zwei Gewinner: Die Bergleute und die Studienabbrecher. Wenn die Menschen selber die Schlauen sind, fühlen sie sich besser. Die Rennfahrer und die Ehrenamtlichen werden später sagen, sie hätten es schön gefunden, dabei gewesen zu sein.

Ein paar Menschen, die die Sendung gesehen haben und auf die Fragen telefonisch oder per Internet richtig geantwortet haben, bekommen ihr Geld zurück. Der Moderator ist noch besser gelaunt als zu Beginn der Show. Es ist ihm gelungen, der Schlauste und trotzdem der Sympathischste zu sein. Ein Meisterwerk.

Die Menschen, die die Show übers Fernsehen mitverfolgt haben, wissen nun, was sie falsch gemacht haben: Sie hätten entweder Moderator werden sollen, Bergleute oder Studienabbrecher. Mit dem Ehrenamt scheint kein Staat zu machen zu sein.

Gut, dass es solche Shows im Fernsehen gibt - auch wenn es Euch vielleicht komisch vorkommt, liebe Außerirdische, dass es so viele davon gibt. Diese Shows ersetzen das abendliche Bachelorstudium für teilzeitambitionierte Lebewesen. "Ich weiß, dass ich nichts weiß", soll einmal ein weiser Mensch gesagt haben. Weil die Menschen die weisen Menschen aber immer nur aus der Entfernung mögen, sind sie froh, wenn sie wissen, dass es viele andere gibt, die noch weniger wissen.

Wenn also alle Menschen immer weniger wissen, werdet Ihr es leichter haben, die Erde zu übernehmen, liebe Außerirdische. Könnt Ihr einen ambitionierten Moderator für die Übernahme gebrauchen? Wir hätten da einen im Angebot. Er heißt Johannes B. Kerner und arbeitet fürs ZDF, das ist der zweite deutsche Fernsehsender in Deutschland. Ist aber nicht billig. Wir hier unten brauchen gerade dringend ein bisschen Geld, wisst Ihr? Was jetzt genau Geld ist, das weiß hier auf der Erde gerade selbst niemand so genau zu erklären.

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