Kabarettist Max Uthoff in Berlin:Überzeugend böse

Lesezeit: 5 min

So wie Max Uthoff auf der Bühne und im TV auftritt, könnte er glatt als der Jurist durchgehen, der er eigentlich auch ist: im gediegenen Business-Outfit. (Foto: Michel Neumeister)

Max Uthoff spielt den bissigen Hund in der ZDF-Satiresendung "Die Anstalt". Kaum einer der aktuellen Kabarettisten teilt so gründlich aus wie er. Aber wie ist er ohne Claus von Wagner, auf Solo-Tour - schießt er abseits des Fernsehens noch schärfer? Ein Besuch mit Überraschungseffekt.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Schneidig ist das Wort, das einem durch den Kopf schießt, wenn man Max Uthoff im TV sieht: Immer im schwarzen Anzug, tadelloser Auftritt, optisch wie rhetorisch. Der Blondschopf akkurat geschnitten, die Bügelfalten scharf wie die Pointen, die der äußerlich blasse Kabarettist gegen Politiker aller Couleur austeilt. Hoppla, dachten viele, als der hagere Münchner in der Satiresendung Neues aus der Anstalt diverse Kurzauftritte probte. Hoppla dachte sich wohl auch das ZDF, das ihn zusammen mit Claus von Wagner recht zügig zum Anstaltsleiter machte, nachdem Urban Priol und Erwin Pelzig ihren Rückzug verkündet hatten.

Die Mischung aus dem agilen Uthoff und dem sanfteren von Wagner, der eine spielt den harten Hund, der andere den tölpelhaften Clown, kommt gut an in der Kabarettgemeinde, und auch in der Kritik. Erst drei Sendungen hat das Duo in der leicht umbenannten Sendung Die Anstalt bestritten, doch alle wurden mit überraschtem Wohlwollen begleitet. "Mehr Entertainment" hatte die neue Führung für Deutschlands beliebtestes TV-Kabarett versprochen. Das war eigentlich nicht nötig, schon Priol und zuvor Georg Schramm hatten ihr Publikum bestens unterhalten.

Kann er auch solo?

Doch die neue Mischung ist in der Tat noch telegener, jünger, frischer - und dank Uthoff eben auch wieder schneidiger. Wer befürchtet hatte, die jahrelang aufgebaute Anstalts-Satire werde durch den Nachwuchs verwässert, wurde eines besseren belehrt. Aber wie schlägt sich Uthoff, wenn sein Kollege nicht dabei ist, den er rhetorisch zurechtweisen kann? Darf Uthoff womöglich abseits des Fernsehens, ohne öffentlich-rechtliche Beschränkungen, noch viel böser sein?

Ein Besuch bei einem aktuellen Bühnenauftritt in Berlin zeigt: Er kann auch solo, und zwar überragend.

Gleich zu Beginn wird auch auf der Kleinkunstbühne im voll besetzten Kreuzberger Mehringhoftheater scharf geschossen, in Richtung Publikum: "Sie brauchen mich, weil meine regierungskritische, systemfeindliche Meinung Ihre widerspiegelt - und ich brauche Sie, weil mein Carport aus handgetriebenem Korallen-Ytong noch nicht abbezahlt ist."

Wie der Heiland nach zu viel Leberkäs'

Uthoff ist erquickenderweise außer der Sprache überhaupt nichts heilig: Weder Frauen ("Immer noch bestimmen wir Männer, wieweit Ihr mit Eurer Gleichberechtigung kommt"), noch Männer ("Wenn wir Männer gebären würden, gäbe es nach zwei Jahren eine Verordnung, die natürliche Geburten verbieten würde"), noch Kinder ("Die meisten Kinder sind wie ein Bild von Bob Ross: Interessant bei der Entstehung, aber man will sie auf keinen Fall zuhause im Wohnzimmer haben").

Ob es nun gilt, die eigene Religion vorzuführen ("Der Grüne Toni Hofreiter sieht doch aus wie der Heiland nach zu viel Leberkäs") oder andere Religionen ("72 Jungfrauen? Wie sehen die denn aus und wieso sind die noch Jungfrau?"), Medien abzuwatschen ("Auch die Justiz bescheinigt Kai Diekmann den Charakter eines Schweins"), und immer wieder Facebook ("Da gibt es Menschen, die 3000 Freunde haben - Facebook macht aus Freundschaft das, was die Deutsche Bahn aus Kaffeebohnen macht"): Unter der Oberfläche all dieser Massenbewegungen stecke doch das tiefe Bedürfnis des Menschen, so seine These, wahrgenommen zu werden. Erst dann fühle man sich richtig als Mensch.

Letzte "Anstalt" mit Urban Priol und Erwin Pelzig
:Sie bereuen nichts

Hoher Besuch zum Abschied der Anstaltsmacher: Georg Schramm und Volker Pispers wettern mit Urban Priol und Erwin Pelzig in deren letzter Ausgabe von "Neues aus der Anstalt" im ZDF um die Wette. Und ihr Nachfolger wetzt schon mal die Messer.

Von Ruth Schneeberger

Wenn das so ist, erklärt es auf jeden Fall Uthoffs Art, Kabarett zu machen: um aus dem Heer teils blutleerer Komödianten herauszuragen. Ein weiterer Grund: Der Mann scheint relativ angstfrei zu sein. Es gibt einige Formulierungen in seinem Programm, die andere sich vielleicht nochmal überlegt hätten ("Über schwule Fußballer wird bei uns erst diskutiert, seit Angela Merkel zweimal zum Gratulieren in der Mannschaftskabine war"), doch Uthoff will es so. Sei Humor ist geradezu britisch: trocken, sarkastisch, bitterböse - aber in der Kürze seiner Formulierung oft brillant.

Es gibt noch weitere Erklärungen für dieses Phänomen: Der 46-Jährige ist eigentlich Jurist. Als "Anstaltsanwalt" hatte ihn schon Priol im ZDF eingeführt, die geschliffene Sprache und das so seriöse wie angriffslustige Auftreten zeugen davon. Was aber nur wenige wissen: Uthoff liegt das Kabarett im Blut - schon seine Eltern betrieben 30 Jahre lang das "Rationaltheater" in München, das er selbst als "deutlich linker als die Lach- und Schießgesellschaft" beschreibt. Mit 11 Jahren stand er dort an der Garderobe, mit 17 auf der Bühne.

Trotzdem schloss er erst mal ein Jurastudium ab, arbeitete in einer Baurechtskanzlei - was ihn schwermütig machte. Seine Frau, so erzählte er im Dezember der SZ, habe damals gesagt: "Wenn Du jeden Tag kreuzunglücklich aus dem Haus gehst, verlasse ich Dich." Also machte er sich auf den Weg, Kabarettist zu werden. Der sehr beschwerlich war und viele Jahre gedauert hat. Auftritte in Wohnzimmertheatern, Absagen von Radiostationen, der Ritt durch abstruseste Kabarettpreisinstanzen, von ganz unten bis nach ganz oben, in die Anstalt.

Auf den Brettern, die die Weltpolitik Lügen strafen

Dass er nun wirkt, als hätte er immer schon auf diesen Brettern gestanden, die die Weltpolitik Lügen strafen, mit sonorer Stimme und stechendem Blick, das ist eben eine Rolle, auf die er sich fast sein ganzes Leben lang vorbereitet hat, ohne es wirklich zu wissen. Und dementsprechend anders wirkt er dann auch nach dem Auftritt, abseits der Bühne: Zugänglich, freundlich, friedlich, alles andere als von oben herab. Den Anzug hat er gegen eine Lederjacke getauscht, die Augen wirken müde nach dem kabarettistischen Gewaltritt, aber trotzdem helle.

Und so sieht der private Max Uthoff aus - zumindest nach dem Auftritt in Berlin. (Foto: Andreas Lang/oH)

Dass Max Uthoff im wirklichen Leben doch kein so harter Hund ist wie auf der Bühne, das macht ihn noch glaubhafter. Zumal er nach eigenen Aussagen versucht, "das kapitalistische System mit den Mitteln der Satire aus den Angeln zu heben." Das ist umso wirkungsvoller, wenn man auf der Bühne aussieht, wie einer, der Teil dieses kapitalistischen Systems ist. Ein wenig wie Dieter Hildebrandt, der auch immer sehr bürgerlich aussah, aber anders als ein Volker Pispers, der inhaltlich nicht weniger scharf ist, aber immer wirkt wie ein Gymnasiallehrer aus den 70ern. Und eben anders als ein Priol mit wirrem Haar im Hawaiihemd oder auch ein Schramm, der auf der Bühne deutliche Rollen spielt. Uthoff braucht für sein Spiel keine Requisiten - nur eben diesen schwarzen Anzug. Und die Schärfe.

Er sagt über sich selbst: "Meine Drohung, vielleicht doch den Beruf des Rechtsanwaltes wieder aufzunehmen, scheint die Rechtsanwaltskammer alarmiert zu haben. Sie versucht seitdem, in Zusammenarbeit mit deutschen Kulturinstitutionen, mich durch die Verleihung obskurer Kleinkunstpreise davon abzuhalten. Mal sehen, ob sie damit durchkommen." Das bleibt zu hoffen.

Bis zur Erblindung

Am Ende seines Programmes nämlich, da wird es wieder hochpolitisch: Beißende Kritik an Merkels Europapolitik, schwere Medienschelte in Sachen Ukraine - so kennt man ihn aus dem TV. "Ist mir völlig egal, dass Gerhard Schröder seinen 70. Geburtstag mit Putin gefeiert hat - was mich gestört hat, ist, dass er das in Freiheit tun konnte." Oder zum aktuellen FDP-Parteitag: "Als würde man einem überfahrenen Frosch beim Springen zusehen." Die Grünen nennt er die aktuell "kriegstreiberischste Partei Deutschlands", wenn er Joachim Gauck zuhört, gönnt er sich "seit neuestem ein Gläschen feinsten braunen Rums, wenn das Wort Freiheit fällt. Tun Sie's nicht, das geht bis zur Erblindung!"

So überzeugend böse und zugleich unterhaltend war im deutschen Kabarett schon lange keiner mehr - ob im TV oder abseits.

Max Uthoff ist mit seinem Programm "Oben bleiben" am 16. und 17. Mai nochmal in Berlin zu sehen, am 19. Mai im Münchner Lustspielhaus - und am 27. Mai wieder in der "Anstalt" im ZDF. Weitere Termine hier. Sein neues Bühnenprogramm plant er für Ende des Jahres.

© SZ.de/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: