Kabarett:Unbeugsam anarchistisch

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Henning Venske - ein multitalentierter Kabarettist mit Gerechtigkeitssinn und bewegter Biografie. (Foto: Frank Koschembar)

Henning Venske verabschiedet sich mit seinem neuen Programm vom politischen Kabarett

Von Oliver Hochkeppel, München

Im Showgeschäft ist die Abschiedstour ja ein Topos: Viele Künstler machen ab einem gewissen Zeitpunkt eine nach der anderen. Wenn aber jetzt Henning Venske mit dem Programm "Summa summarum" - das er von diesem Mittwoch an zwei Mal in der Lach- und Schießgesellschaft und einmal im Lustspielhaus spielt - seinen Abschied vom politischen Kabarett ankündigt, dann darf man ihm glauben, dass es dabei bleibt. Zu- wie Absagen solcher Art hat der überzeugte Wahl-Hamburger stets kaufmännisch ernst genommen. Mit dem nahenden 80. Geburtstag im kommenden April kann Venske auch auf einen passenden äußeren Anlass verweisen: "Bevor mir jemand anderes sagt, na Alter, nun wird's aber Zeit, gehe ich lieber selbst."

Wichtiger noch sind aber inhaltliche Gründe, wie sie Venske in einer für ihn typischen Suada beschreibt: "Dazu kommt eine gewaltige Unlust, mich noch länger mit dem Stoff zu befassen. Ich habe einfach keine Lust, mich weiter mit Leuten zu beschäftigen, die ich nicht für satisfaktionsfähig halte. Ich würde ja auch sonst keinen Umgang mit ihnen pflegen. Es ist so langweilig inzwischen, mir fällt von Merkel bis Seehofer nichts mehr ein. Es sind ja alles Wiedergänger, von der NPD-Clique und den Republikanern bis zur AfD, wir hatten das alles schon, es wiederholt sich." So bedeutet der Rückzug von der Kleinkunstbühne natürlich nicht, dass Venske aufhört zu arbeiten: "Ich hänge ja nur das politische Kabarett und das Touren an den Nagel. Ich werde sicher weiter schreiben, vielleicht mal Theater spielen oder versuchen, in einem Fernsehspiel mitzumachen."

In München ist man versucht, zu übersehen, welches Multitalent Venske immer war. Hier ist er vor allem ein Stück Inventar der Lach- und Schießgesellschaft, in deren Ensemble er 1985 eintrat, bis 1993 Mitglied blieb und in die er auch danach immer wieder zurückkehrte. Doch dieser späte Quereinstieg - die Lach und Schieß war sein Entree ins Kabarett, mit 46! - bedeutete nur eine weitere Volte im bewegten Lebenslauf, wie er ihn er vor ein paar Jahren in einer extrem lesenswerten Biografie mit dem schönen Titel "Es war mir ein Vergnügen" selbst beschrieben hat. Ein Leben, das mit der abenteuerlichen und monatelangen Flucht des Sechsjährigen mit seiner Mutter, seiner Tante und deren kleinem Sohn bei Kriegsende vom österreichischen Zinkenbach zu den Großeltern nach Kiel anhebt. Die Erlebnisse von Kriegs- und Nachkriegsgrauen, von Tod, Leid, Hunger und Entmenschlichung als Folge des nationalistisch-faschistischen Größenwahns prägen ihn und erklären am besten, wie und warum Venske zu dem wurde, was er war und immer noch ist: ein unbeugsamer, anarchistischer, atheistischer Linker mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und einer ausgeprägten Allergie gegen Machtmissbrauch und -spielchen aller Art.

Sein Betätigungsfeld war zunächst und für lange Zeit die große Bühne. Das Geschichts- und Germanistikstudium gab er für einen Platz am Max-Reinhardt-Seminar in Berlin dran. Sein erstes Engagement als Schauspieler bekam er 1961 vom Theater am Kurfürstendamm. Freilich zog es ihn auch schon recht früh auf die andere Seite der Bühne: Er wurde Regieassistent, am Schillertheater in Berlin, und dann am Thalia Theater in Hamburg arbeitete er mit den großen Regisseuren dieser Zeit, von Fritz Kortner und Hans Lietzau bis zu Hans Deppe oder Peter Mosbacher. Einmal assistierte er sogar Samuel Beckett. Daher kommt eine handwerkliche Souveränität, über die nicht viele Kabarettisten verfügen. Allerdings war die Unterordnung, das Stillhalten wie das Einseitige seine Sache nie. So arbeitete er schon von Beginn der Siebzigerjahre an auch für Hörfunk und Fernsehen.

Er arbeitete als Sprecher, moderierte Musiksendungen - später schrieb er auch Songtexte für eine holländische Rockband -, spielte in der "Sesamstraße" und im "Tatort" und machte sehr erfolgreich Kinderbücher und -schallplatten. Als Autor bitterböser und humorvoll-sarkastischer Texte brachte er es zu "Deutschlands meistgefeuertem Satiriker". Da konnte er gleich Chefredakteur der Satirezeitschrift Pardon werden. Letzteres war wohl eine ebenso gute Schule fürs Kabarett wie das ganz ernsthafte Buch über Wirtschaftskriminalität, das er mit den Stern-Redakteur Günter Handlögten schrieb. Für den Preisbetrieb der Kleinkunstbranche war Venske lange zu unbequem, erst das späte Duo mit Jochen Busse heimste dann die wichtigsten Auszeichnungen ein.

Nun also ein letztes Aufbäumen, noch einmal mit dem famosen Akkordeonisten Frank Grischek an seiner Seite. Nichts weniger als eine "Bestandsaufnahme dieser Republik" soll "Summa summarum" ergeben, sagt Venske. Die Bundespräsidenten dienen als roter Faden, die diversen Kanzler wiederum werden auf den größten gemeinsamen Nenner gebracht. Einmal noch gibt Venske kein Pardon. Man wird das vermissen.

Henning Venske , Mi. und Do., 31. Okt. und 1. Nov., Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastr. 9; Fr., 2. Nov., Lustspielhaus, Occamstr. 8, jeweils 20 Uhr.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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