Kabarett:Theoretisch menschlich

Lesezeit: 1 min

Kommt gut ohne "soziale Fellpflege" wie Partys aus, macht dafür aber aus 90 Minuten Vortrag ein Fest: Günther Paal alias Gunkl. (Foto: Robert Peres)

Der Wiener Gunkl stellt in der Lach- und Schießgesellschaft sein neues Programm "Zwischen Ist und Soll" vor

Von Oliver Hochkeppel

Andere Menschen seien für ihn "Ausland", sagt der Wiener Kabarettist Günther Paal, seit jeher als Gunkl bekannt, "dahoam", das sei er nur bei sich selbst. Das Asperger-Syndrom hat er bei sich diagnostiziert, verkündet er gleich zum Einstieg in sein neues Programm "Zwischen Ist und Soll" in der Lach- und Schießgesellschaft. Eine sozusagen sanfte Variante des Autismus also, die sich mit einer Schwäche in der sozialen Interaktion niederschlägt. Einem Fest, das ist Gunkls verblüffend weit tragendes Beispiel, ziehe so jemand wie er deshalb noch eher einen Zahnarztbesuch vor. Habe der doch, anders als eine Party, ein klares Ziel und ein sauberes, von allen akzeptiertes Ende. Ein Vorzug, wenn man es gern "aufgeräumt" hat, wenn man sich stets "auskennen" will.

Was man eine Macke nennen könnte, ist ein doppelter Glücksfall: Gunkl leidet nicht darunter, und als Publikum profitiert man ungemein davon. So ist auch sein 13. Soloprogramm geballte Hochkomik, wie sie intelligenter und aufklärerischer kaum zu finden ist. Nur seine Einschätzung, anders als viele Autisten und Aspergerianer keine Hochbegabung zu besitzen, darf man anzweifeln. Wer sonst brächte es im Kabarett fertig, aus einem derart freudlosen Setting derartig lustvolle Unterhaltung zu machen: Völlig ohne Requisiten, Rollenspiele oder Aktion gleicht sein Auftritt einer Philosophie- oder Physik-Vorlesung - und wird doch ein beschwingter, belustigender, ja beglückender Abend. Was an seiner einmaligen Talent-Kombination von Sprachwitz und analytischem Denken liegt.

Andere Kabarettisten hätten den - von Gunkl auf dem Plakat schlicht mit schwarzer Schrift auf weißem Grund platzierten - Titel "Zwischen Ist und Soll" ethisch aufgefasst, er nimmt ihn ontologisch. Und macht daraus mit stets hinreißend komischen Beispielen eine kluge Analyse dessen, was dazwischen liegt: das Menschsein. Erkundet zwischen Wittgenstein, Heidegger und Einstein das Prozesshafte unseres Daseins, mit dem Fazit: Menschsein heißt lernen. Dafür ist Gunkl selbst der beste Beweis.

Gunkl ; noch bis Samstag, 23. Dezember, 20 Uhr, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastraße 9

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: