Kabarett:Eindeutige Botschaften

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Helmut Schleichs "Kauf, du Sau!" im Münchner Lustspielhaus

Von Oliver Hochkeppel, München

In seinem grandiosen Programm "Ehrlich!" hatte Helmut Schleich eine Nummer, in der er das moderne Regie-Theater lächerlich machte. Die war zwar sehr lustig, aber eben auch ein wohlfeiler Griff nach Lachern auf Kosten einer eigentlich viel differenzierter zu betrachtenden Sache. In "Kauf, du Sau!", das nun im Lustspielhaus Premiere hatte, passiert leider ein bisschen viel nach dieser Methode. Denn wie soll man es finden, wenn Schleich die EU zur Lobby-Organisation der Großkonzerne erklärt, die dem "kleinen Mann" - der zuvor doch so von Wechselkursen und Kleinschmuggel profitierte - nichts gebracht habe, und er den Brexit geradezu als demokratische Befreiungsaktion vorstellt. Oder wenn er das Flüchtlingsthema anhand des Einzelfalles eines polygamen, seine Frauen als Kindergeld-Beschafferinnen missbrauchenden Syrers aufgreift, um dies einen niederbayerischen Lkw-Fahrer, der seinen Führerschein verloren hat, als neues Einkommensmodell durchspielen zu lassen.

Dieser Rudi ist übrigens die einzige Figur, die der für sein starkes Typenkabarett bekannte Schleich diesmal spielt - abgesehen von Franz Josef Strauss natürlich, seiner Paraderolle, in der er diesmal Markus Söder in den Boden stampft. Es ist zu verstehen und ehrenwert, dass Schleich, zusammen mit seinen Co-Autoren Thomas Merk und Andreas Rüttenauer sowie seinem Regisseur Rainer Pause, mal etwas Neues versucht, weg von Figuren, mehr zu sich selbst wollte. Und selbst wenn der Programmtitel etwas in die Irre führt, weil es nach dem Einstieg mit der betrügerischen Autoindustrie - dessen von ihr produziertes "Straßenbegleitblech" samt E-Autos Schleich offensichtlich am liebsten gleich komplett abgeschafft sähe - und den absurden Managergehältern kaum mehr um Konsum und Wirtschaft geht: Noch nie war Schleich so politisch. Aber weder solide Detailrecherche noch Schleichs wunderbare Sprachschöpfungen können darüber hinwegtäuschen, dass dieser Neuansatz auch der Kern des Problems ist, das man mit diesem Programm haben kann.

Bisher waren Schleichs Themen durch seine Rollen gebrochen und gewissermaßen automatisch zweideutig. Nun sind seine Botschaften eindeutig, und wenn er Extreme aufgreift und ins Allgemeine wendet, dann nehmen sie mitunter populistische, ja reaktionäre Züge an. Etwa bei der beliebten Häme gegen Alternative und Veganer, die nicht nur eine absurd-witzige Kindergeschichte hervorbringt, sondern gleich jede Art von Reflexion über die Verwendung der Sprache unter Bevormundungsverdacht stellt und die "heutige Jugend" in Bausch und Bogen zu Deppen erklärt. Oder beim Gutmenschen-Bashing, wo seine ironisch als "heilige Evangelien" von der Kanzel gesprochenen Zitate liberaler Journalisten fast schon im Lügenpresse-Kosmos landen. Was dagegen hilft? Das bayerische Wertesystem samt resoluter bayerischer Kellnerin. Manchmal sollte man aufpassen, von wem man Gelächter und Applaus will (noch bis 19. Mai im Lustspielhaus).

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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