Jungenabenteuer:Wie aus Donner und Blitz

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Zwölf Kilometer lang! Die abenteuerliche Geschichte des "Danger Express", eines historischen Eisenbahnzuges aus Kanada, der als längster Zug der Welt 6495 Passagiere transportierte. Erzählt wird von ihren besonderen, mysteriösen Schicksalen.

Von Fritz Göttler

Einen sagenhaften Drive hat dieses Buch, befeuert von der erzählerischen Energie seines Autors Kenneth Oppel. Sein "Danger Express" ist ein großes fantastisches Abenteuer, so mächtig wie die kanadische Wildnis, so lang wie der Trans-Kanada-Express, der sich auf seiner Jungfernfahrt durch diese Wildnis schleppt. Der längste Zug der Welt, zwölf Kilometer lang, eine Lokomotive "wie aus Donner und Blitz geschmiedet", 978 Waggons, in denen 6495 Passagiere Platz finden, sogar einen Zirkus hat er dabei. Kenneth Oppel bringt, ganz in der Tradition von Jules Verne, den Geist des transkontinentalen Eisenbahnbaus aus dem 19. Jahrhundert zusammen mit den technischen - und auch gesellschaftlichen - Utopien zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ein Zug ist eine Stadt auf Rädern, eine Welt für sich, mit Luxuskabinen, Restaurants, Billard- und Sportraum, Aussichtsplattformen, Bar, einem Salonwagen. Wie jede geschlossene Gesellschaft hat auch diese ihren Mythos - es ist der von Cornelius Van Enger, dem früh verstorbenen Eisenbahnmagnaten, der die Vision dieses Zuges realisierte, deshalb wird sein Leichnam in einem Spezialwaggon immer im Zug mitgeführt werden. Einen Mythos und natürlich ein Klassensystem, die Wagenkette ist in drei Klassen gegliedert, am Ende die Waggons für Arbeiter und Kolonisten.

In der Luxusklasse ist auch der junge Will dabei, sein Vater James Everett war einer der wichtigsten Ingenieure beim Bau der Schienenkette durchs Gebirge, nun ist er der verantwortliche Cheflokführer des Zugs, der ihn mit seinen Kollegen auf seiner langen Fahrt steuern wird und deshalb nicht in seiner Luxuskabine bei seinem Sohn schlafen wird, sondern vorn im Schlafraum der Riesenlok. Aber auch den Sohn Will hält es nicht lang im Abteil, er muss das Mädchen Maren suchen, dem er vor drei Jahren beim Schienenbau begegnete und die nun bei einer kleinen Zirkusnummer im Zug wieder auftauchte. Auch sie hat einen Traum, will auf einem Seil die Niagarafälle überqueren. Es wird eine langwierige Suche, in deren Verlauf Will auch noch auf ein mörderisches Komplott an Bord stößt.

"Danger Express" ist ein aufregender Mobilis-in-mobili-Roman, mit seinem Ineinander von Bewegung und Stillstand, Unterwegssein und Häuslichkeit. "Mobilis in mobili" ist das berühmte Motto des Nautilus-Kapitäns Nemo bei Jules Verne, und der Roland Barthes. Der strukturalistische Zeichen- und Gesellschaftsanalytiker hat dies als die große Chiffre der Moderne interpretiert. Wie der Nautilus verkörpert auch der Trans-Kanada-Express gerade in seiner Bewegung ins Offene hinaus immer auch die "Lust, sich vollkommen abzuschließen". Eine gegenläufige Bewegung, die auch den Leser - nicht nur den des "Danger Express" - beschreibt.

Will braucht, im Kampf gegen die Intrige, die Solidarität der einfachen Menschen, auch der Tiere, und hin und wieder die illusionistischen Zaubertricks der Zirkusleute. Bei allen Triumphen der Technik spuken alte Geisterwesen noch herum, von den Sasquatch-Schneemenschen bis zur Nebelhexe vom Lake Superior. Und der Zirkusdirektor - er heißt in der Tat Mr. Dorian! - hofft, mithilfe eines geheimnisvollen Abbilds von sich, das für ihn altert, langes Leben zu erreichen. Will soll es malen, denn, so findet Mr. Dorian, "du scheinst gute Geschichten anzuziehen". (ab 12 Jahre)

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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