Jugendroman:Flattern in der Magengrube

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Barry Jonsberg. Was so in mir steckt. Aus dem Englischen von Ulla Höfker. cbj, München 2019. 349 Seiten, 18 Euro. (Foto: N/A)

Barry Jonsberg rettet seinen Helden aus einem Gefühlschaos. Er ist auf der Suche nach erfogreichen Liebesstrategien und seiner eigenen Identität.

Von Roswitha Budeus-Budde

"Mum, begann ich, weiten sich deine Pupillen, wenn du Dad anschaust? Strömt dein Blut in deine Epidermis und spürst du ein Flattern in der Magengrube"? Der 13-jährige Rob will alles genau wissen über die Liebesgeschichte seiner Eltern. "Beim Flattern in der Magengrube muss ich passen", antwortet seine Mutter, "aber manchmal schafft er es, dass sich mir der Magen umdreht." Auch der Vater gibt eine überraschende Antwort auf die Frage nach der großen Liebe seines Lebens: "Er zögerte keine Sekunde. Golf."

Mit dieser genüsslich ausgemalten Slapstick-Szene beim Familienfrühstück schickt der australische Autor Barry Jonsberg in seinem Jugendroman "Was so in mir steckt" seinen Helden auf die Suche nach den Strategien der Liebe, denn Rob ist fasziniert von seiner Mitschülerin Destry. Wie kann er sie auf sich aufmerksam machen, er, der Schüchterne, voller Selbstzweifel, Hemmungen und Panikattacken? Da bleibt ihm nur, sich ins Schreiben zu retten, alles zu notieren und zu kommentieren, was ihm geschieht, als er die Ratschläge seines Freundes Andrew, erfahren in Liebesdingen, und seines Großvaters Pop, erfahren in Lebensdingen, in die Tat umsetzt.

Es entzündet sich ein Feuerwerk von absurden Situationen, drastisch und sarkastisch inszeniert. Szene für Szene führt in neue, ungeahnte Abgründe, wenn Rob, um Destry zu treffen, einen fiesen, kleinen Kläffer, "einen wildgewordenen Wischmopp", im Park ausführt, wo er sie mit ihrem Riesenhund trifft, bei dessen Anblick "andere Hunde auf Bäume zu klettern versuchten". Die Dialoge, die diese und alle weiteren Erlebnisse auszeichnen, sind weit von political und social correctness entfernt, weil sie hinter dem pointierten Witz gnadenlos ehrlich den oft verzweifelten Blick des Jungen auf seine Situation wiedergeben.

Besonders sein Großvater Rob, gefürchtet für seine Pietätlosigkeit - das Heim nennt er "einen Ort, an dem ein Haufen alter Fürze herumhängt und aufs Sterben wartet", - spürt seine seelische Notlage. Seine geniale Idee, der unsportliche Rob soll mit einer Meisterleistung beim Fußballturnier gegen eine versnobte Privatschule glänzen. Genüsslich wird erzählt, wie er schließlich als Torwart erfolgreich im Spiel herumhechtet, während seine Mannschaft "noch nicht mal mit einem Navi das gegnerische Tor gefunden hätte". Freund Andi dagegen erwartet von Rob zunehmend mehr gesellschaftlichen Einsatz. Er fordert ihn auf, der Welt zu zeigen, dass er sie zu einem besseren Ort machen kann und so die Aufmerksamkeit, Achtung und Liebe seiner Umgebung erringt. Doch plötzlich als Vegetarier und Aktivist für Tierwohl in der Öffentlichkeit aufzutreten, führt zu heftigen Reaktionen der Eltern und der Schule, immer ausgetragen in Szenen und Dialogen voll schwarzem Humor.

Allmählich spürt man aber, dass das Identitätsproblem, mit dem Rob kämpft, ein existenzielles ist, das über die alterstypischen Krisen hinausgeht. Besonders als der Großvater Rob auffordert: "Akzeptiere dich so, wie du bist, und höre auf, dir Gedanken darüber zu machen, wie andere reagieren könnten." So wird die Siegerehrung in der Schule - für seinen erfolgreichen Einsatz als Torwart - zu einem heilsamen Outingprozess: nicht Rob, sondern Roberta wird geehrt (ab 13 Jahre).

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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