Jazz:Vom Bass elektrisiert

Lesezeit: 3 min

Wolfgang Schmid blickt auf eine lange Karriere zurück, die ihn mit stilprägenden Bands zusammenbrachte. Seinen 70. Geburtstag feiert er mit Wegbegleitern in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel

Seit einem Jahr darf man ihn jetzt als Herrn Professor ansprechen, was viele wohl nicht vermuten würden, angesichts der wilden grauen Löwenmähne, den engen Jeans und der Lederjacke, die er meistens trägt. Der Titel ist aber nur konsequent: Ist der aus Stuttgart stammende, seit Jahrzehnten in München lebende Wolfgang Schmid, der am 11. November seinen 70. Geburtstag feiert, doch nicht nur ein Pionier des E-Bass und eine prägende Figur des Jazzrock, sondern auch Lehrmeister ganzer Scharen von jungen Jazz- wie Popmusikern. Früh war für Schmid klar, dass die Musik sein Ding ist. Er begann als Bub mit Gesang und Gitarre, als einer der Stuttgarter Hymnus-Chorknaben und bei seiner mit 14 (!) gegründeten, schnell zur lokalen Berühmtheit werdenden Soulband The Dynamites.

Von 1968 an vertiefte er die Sache: Als Toningenieur in den Jankowski-Studios und mit dem Umstieg von Gitarre auf den noch gar nicht lange erfundenen, technisch gerade erst ausgereiften E-Bass. "Mit meiner Stimme war ich nie wirklich zufrieden, da gab es immer Unerreichbare, von Wilson Picket bis Stevie Wonder. Am Bass aber hatte ich sofort den Eindruck, ganz vorne mit dabei zu sein," erinnert sich Schmid. Er holte sich erst bei Seelow Praxis, bis ihn 1972 dann der Saxofonist Klaus Doldinger in seine neuformierte Band Passport holte. Für alle Beteiligten sollte das ein in seiner Dimension nie erwarteter Durchbruch werden. "Es gab für Passport keine Vorbilder. Wir haben den Fusion-Sound miterfunden, indem wir alte Jazz-Platten gehört haben und versuchten, den Stücken einen neuen Groove zu geben."

Schnell wurde Passport als deutsche Antwort auf Weather Report oder Return To Forever gefeiert. Große Tourneen durch die USA folgten, bei einer war eine unbekannte junge Rockband namens AC/DC die Vorgruppe. In der klassischen Quartett-Besetzung mit Kristian Schultze an den Keyboards und Curt Cress am Schlagzeug gab es die Band nur fünf Jahre lang, doch ihren Erfolg konnte bis heute keine deutsche Jazzformation mehr wiederholen. Und Schmid blieb auch danach eine stilprägende Figur, einmal mit seinem mit dem Plektrum gespielten Back-Beat-Bass, der funkig knallt, aber trotzdem immer melodisch bleibt, aber auch mit seinem Fingerpicking. Ob bei Charlie Antolinis Kult-Platte "Knock Out", bei Head, Heart & Hands oder Wolfhound (wo unter anderem Bobby Stern und Anne Haigis mitspielten) oder bei der Supergroup Paradox mit Billy Cobham und Bill Bickford, womit er sogar Kritiker-Polls in den USA als bester Bassist und bester internationaler Künstler gewann. Schon früh hat Schmid außerdem damit begonnen, seine Fähigkeiten weiterzugeben. Abgesehen vom Lehrauftrag in seiner alten Heimat Stuttgart ist dabei seine seit 1987 bestehende Band Kick wahrscheinlich das wichtigste Medium. Hat er doch seine bis heute bestehende Leib- und Magentruppe, in der er den dynamischen und modernen Jazzrock seiner Prägung pflegt, immer wieder mit jungen Talenten verjüngt, was dann auch in Namenszusätzen ( Special Kick, Swift Kick, Special Gig bis hin zu Krabbelgruppe) dokumentiert wurde. Und seit einigen Jahren bringt er sogar spaßeshalber Kritikern bei, was es heißt, auf der Bühne zu stehen. Schmid war sich auch immer darüber im Klaren, dass man als Bassist nicht mit einem Erfolgsprojekt durchkommt, sondern breit aufgestellt sein muss. Er hat sich im Lauf der Jahre so ziemlich alle Stile draufgeschafft, hat als Begleiter oder Studiomusiker bald 500 Alben eingespielt, allein gute 50 davon sind eigene Produktionen. Noch heute ist sein Terminkalender knallvoll, ob er Kunstprojekte in New York vertont, in russischen Republiken tourt oder mit alten Kollegen wie Wolfgang Dauner Jubilee-Konzerte spielt. Und Programmvorstand des Münchner Jazzclubs Unterfahrt ist er seit einiger Zeit auch noch. Schon seit langem feiert er dort auf der Bühne seine Geburtstage, so natürlich auch jetzt. Am kommenden Samstag spielt er mit herausragenden Schülern wie dem Saxofonisten Jacob Manz oder der Sängerin Denise Taylor einen Special Gig; am Sonntag dann ein Doppelkonzert mit der erweiterten Special Gig Band und mit Klaus Doldinger und Classic Passport.

Happy Birthday Wolfgang Schmid , Sa. und So., 10. und 11. Nov., 21 und 20.30 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstr. 42

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: