Jazz:Schweben lernen

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Der Pianist Leo Betzl war in jüngster Zeit einem wahren Preisregen ausgesetzt - jetzt spielt der Ausgezeichnete mit seinem Trio in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel

Manchmal muss man nicht selbst Musiker sein, auch kein Kritiker, man spürt es auch als ganz normaler Konzertgänger: das schiere Talent, dieses Charisma, jene aus langer, großer Anstrengung geborene magische Verbindung zwischen der eigenen Persönlichkeit und dem Transport von Musik. Man weiß, dass man den Betreffenden noch öfter sehen, dass er Teil der Szene werden wird. Ein Gefühl, das in den vergangenen zwei Jahren viele hatten, wenn der Pianist Leo Betzl spielte. Darunter solche, die etwas zu vergeben hatten; zum Beispiel den Steinway Förderpreis für Jazz-Klavier als Auftakt zu einer eindrucksvollen Reihe von Ehrungen.

Seine Alma Mater, die Münchner Musikhochschule verlieh ihm noch vor seinem Abschluss den "Kurt Maas Jazz Award" 2015 (was mit einem Sommerkurs am legendären Berklee College of Music verbunden war), beim Yamaha Piano Wettbewerb für die bayerischen Musikhochschulen wurde er Zweiter und der Freistaat Bayern kürte ihn zum Kunstförderpreisträger. Heuer nun bekam er erst den Kultur-Förderpreis seiner Geburtsstadt Rosenheim, dann den Hansjörg-Henzler-Jazzpreis der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz. Der beschert Betzl mit seinem Trio Ende Oktober eine Bayern-Tour einschließlich des großen Auftritts beim neuen und ersten LAG-Festival Ende Oktober in Regensburg. Gewissermaßen das erste Preisträgerkonzert darf er jetzt in der Münchner Unterfahrt spielen. Kurz: Der 25-jährige Leo Betzldurchlebt aktuell die größte Erfolgsgeschichte im bayerischen Jazz.

"Levitation" heißt das erste Album von Pianist Leo Betzl, Bassist Maximilian Hirning und Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber (von links). (Foto: Unterfahrt)

Die ist natürlich das Ergebnis harter Anstrengung und Arbeit, was man Betzl unterdessen kaum ansieht. Eine stoische Lässigkeit strahlt er aus, eine altbayerische Ruhe. Aus "Großkaro" stammt Leo Betzl, aus Großkarolinenfeld nahe Rosenheim also. Mit sieben fing er dort das Klavierspielen an, schnell war das eine bis heute ungebrochene Leidenschaft. Bei der klassischen Grundausbildung zeigte sich bald eine Vorliebe für die Romantik, für das Impressionistische, Emotionale und Hymnische. Die pflegte er auch schon im zehnten Lebensjahr an seinem ersten Keyboard, als es ans Nachspielen von Led Zeppelin, Deep Purple oder seiner Lieblingsband Toto ging. Aus dieser Richtung kamen Vorbilder wie David Paich oder Steve Porcaro. Bald danach brachte er sich auch noch Gitarre bei, und der Kosmos der Idole führte über Jimi Page oder Jimi Hendrix zu Bluesigerem wie Eric Clapton oder Steve Vai.

So führte der Weg schließlich zum Jazz, der dann zu seiner Hauptstraße wurde. Doch seine musikalische Herkunft pflegte er bis vor kurzem nach wie vor mit drei gleichaltrigen Jugendfreunden aus "Großkaro" in der Band Red Stingray. Auch in seinen aktuellen Kompositionen ist sie nicht zu verleugnen: Brillante klassische Technik, Jazz-Grooves und improvisatorische Ausritte ergänzen sich mit Sphärisch-Romantischem, mitunter gar Wuchtig-Rockigem zu seinem eigenen Modern Jazz.

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"Levitation" ist demnach ein passender Titel für Betzls Debütalbum, das er mit seinem Hauptprojekt, dem eigenen Trio eingespielt hat. Die Behauptung, schweben zu können, hier ist sie musikalisch schon recht ordentlich umgesetzt. Ob bei überraschenden Standard-Interpretationen wie "What Is This Thing Called Love" oder eigenen Stücken, stets überzeugen der dramatische Bogen, die Balance aus Eingängigkeit und Experiment und nicht zuletzt die Fähigkeit aller drei Musiker, jede Idee umzusetzen und jede Steigerung mitzugehen. Das liegt vor allem daran, dass da ein lange und bestens eingespieltes Trio dreier Hochbegabter am Werk ist: Der Bassist Maximilian Hirning hat über das gemeinsame Studium hinaus eine Menge Referenzen, von der Allgäuer Blues-Brothers-Band über die Classic-Jazz-Truppe The Dots bis zur Avantgarde-Band Frigloob. Den Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber lernte Betzl schon zwei Jahre vor seinem Studiumsbeginn kennen, er führte ihn gewissermaßen in die Jazzszene ein und rangelt heute mit ihm um den Titel des größten Talents ihres Uni-Jahrgangs. Selbst US-Starsaxofonistin Tia Fuller konnte sich da nicht entscheiden, als die beiden beim "Jazz Masters Konzert" ihre höllisch schweren Arrangements meisterten. Fullers anerkennende Blicke dürften für Betzl ähnlich viel wert gewesen sein wie all diePreise.

Leo Betzl Trio , Donnerstag, 22. September, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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