Jazz:Reizvoll reduziert

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Julia Hülsmann stellt ihr neues Album vor

Von Oliver Hochkeppel, München

Julia Hülsmann macht keine halben Sachen. Nicht als Interessenvertreterin in Sachen Jazz, als die sie vor einigen Jahren die Union Deutscher Jazzmusiker neu belebt und zu einiger Durchschlagskraft geführt hat. Und schon gar nicht als Musikerin. Mit bemerkenswerter Konsequenz hat die aus Bonn stammende, seit langem in Berlin lebende Pianistin einen eigenen Stil entwickelt und verfeinert. Der wird zum einen durch ihr reduziertes, reine Virtuosität vermeidendes Klavierspiel definiert, mehr noch aber durch ihre auf reizvollste Art spröden Kompositionen und den Klang ihrer Bands. Dazu passt die Treue zu den Musikern und dem Label, welche diesen Weg begleiten.

So ist "Sooner And Later", das sie jetzt in der Unterfahrt vorstellte, bereits ihr sechstes Album für ECM. Und abgesehen von einem Ausflug zu Kurt Weill mit Theo Bleckmann, waren der Bassist Marc Muellbauer und der Schlagzeuger stets mit von der Partie, mit Muellbauer spielt sie ohnehin bereits seit ihrem Studienabschluss 1996 zusammen. Köbberling, der dann ein paar Jahre darauf Rainer Winch ablöste, ist inzwischen ein gleichberechtigter Komponist bei den gemeinsamen Projekten. Auch bei "Sooner And Later", bei dem es nun wieder zurück zur puren Trio-Besetzung geht. Obwohl also rein instrumental, merkte man auch diesem Programm Hülsmanns frühe Prägung durch Singer-Songwriter an - bekannt wurde sie ja einst durch die Zusammenarbeit mit den Sängerinnen und Sängern Rebekka Bakken, Anne Lauvergnac und Roger Cicero. Stets haben ihre Stücke eine gesangliche Qualität, selbst wenn sie radikal rhythmisiert sind wie "Soon" oder das der legendären Pianistin Jutta Hipp gewidmete "J.J.". Es ist kein Zufall, dass Hülsmann ihre Themen gerne auf Melodien wie das kleine Lied einer kirgisischen Geigerin ("Biz Jolutuk") oder prägnante Hooklines wie das "All I Need" von Radiohead aufsetzt.

Freilich ergibt die Umsetzung dann stets eher abstrakten Modern Jazz, immer äußerst durchdacht und gestaltet. Mitunter wirkt ihr Klavierspiel wie eine Minimal-Music-Version von Oscar Peterson oder wie Reharmonisierungen von Thelonious Monk. Das kann ebenso intelligente wie mitreißende Stücke ergeben wie das ältere "Who's Next", fast eine Art "Signature Song" ihres Stils. Mitunter wünscht man sich freilich auch, Hülsmann würde mal die Kontrolle abgeben, mal loslassen, mal ein irres Solo spielen. Aber das hielte sie wahrscheinlich für eine halbe Sache.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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