Jazz:Musikalische Nachbarn

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Jazz als Weltsprache: Die Britin Claire Parsons und der Israeli Eran Har Even bereichern die luxemburgische und niederländische Jazzszene. (Foto: Pepa Niebla)

Die Unterfahrt öffnet sich der florierenden Szene der Benelux-Länder

Von Oliver Hochkeppel, München

Obwohl sie auf eine lange Tradition zurückblicken können - Belgier und Niederländer wie Tip Tichelaar, Benny de Weille oder Barend van Venetie gehörten schon in den Dreißigerjahren zu den auch in Deutschland gefragtesten europäischen Jazzern -, standen die Jazzszenen der Benelux-Länder lange im Schatten der großen Nachbarn. Doch im Zuge der Emanzipation des europäischen Jazz von der amerikanischen Stilvormacht in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist auch dort eine neue Musikergeneration angetreten, die experimentiert und in hoher Frequenz neue Wege erschließt, die völlig selbstverständlich im internationalen Verbund denkt und arbeitet, und die so auch international auf sich aufmerksam macht. Wie in Deutschland oder der Schweiz ist dort viel in Ausbildung und Infrastruktur investiert worden, was sich mittlerweile bezahlt macht - selbst im kleinen Luxemburg, wofür der Vibrafonist Pascal Schumacher vielleicht als Galionsfigur steht.

Der Trend ist bei den progressiven Veranstaltern angekommen. Schon 2017 widmete das Südtirol Jazzfestival seinen Länderschwerpunkt den Benelux-Staaten, mit dem jungen niederländischen Gitarristen Rainier Baas als "artist in residence". Jetzt präsentiert die Unterfahrt unter dem Titel "Jazz Next Door" drei Tage lang sechs Benelux-Bands in Doppelkonzerten. Den Anfang macht das belgische Trio De Beren Gieren mit dem Pianisten Fulco Ottervanger, dem Bassisten Lieven van Pée und Schlagzeuger Simon Segers. Seit zehn Jahren arbeiten sie daran, die klassische Klaviertrio-Besetzung mit aktuellen Grooves, Elektronischem und zeitgenössischer Klassik anzureichern. Den Abend komplettiert das Quartett des luxemburgischen Schlagzeugers Michel Meis, dessen aktuelles Album "Lost in Translation" als Nummer 76 der Jazzthing-Reihe "Next Generation" erschienen ist - als erstes eines Künstlers außerhalb des deutschsprachigen Raums. Ohnehin ist seine stiloffene Band mit dem bereits preisgekrönten französischen Pianisten Cédric Hanriot, der Posaunistin Alisa Klein und dem wie sie aus Saarbrücken kommenden Bassisten Stephan Goldbach ein gutes Beispiel für die im Jazz völlig selbstverständliche "europäische Union".

Weiter geht es am Freitag mit dem Duo der britischen, aber in Luxemburg lebenden Sängerin und Pianistin Claire Parsons und dem in den Niederlanden lebenden israelischen Gitarristen Eran Har Even. Hier erklingt intime, atmosphärische und anspielungsreiche Musik, auf die eher Kerniges folgt: Force, die Band des luxemburgischen E-Bassisten Pol Belardi bedient sich zeitgemäß bei Rock, Hip-Hop und Electronica. Den letzten Abend teilen sich zwei Trios. Das belgische Trio Grande des Multiinstrumentalisten Laurent Dehors, des Tubisten und Posaunisten Michel Massot und des Schlagzeugers und Percussionisten Michel Debrulle - alle seit Jahren Galionsfiguren der belgischen Szene - erzeugt monumentale Sounds und wird gerne als "kleinste Big Band der Welt" bezeichnet. Die belgische Pianistin Nathalie Lorier schließlich sorgt mit ihrem New Trio bei aller rhythmischer Finesse für einen eher lyrischen Ausklang. In ihrem New Trio sitzt neben ihrem Landsmann Nicolas Thys am Bass der einzige Amerikaner des kleinen Festivals - der passenderweise Hollander heißt: Es ist der seit Jahrzehnten in München lebende Schlagzeuger Rick Hollander.

Jazz Next Door , Donnerstag bis Samstag, 7. bis 9. März, 20.30 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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