Der Avantgarde-Saxofonist John Zorn verkündete 1992 in München sein Manifest einer "Radical Jewish Culture". So radikal, wie der Begriff klingt, war das aber eigentlich gar nicht: Zorn fragte sich eher nachdenklich, warum die meisten Musiker, mit denen er spielte, Juden waren; welche gemeinsamen Wurzeln man offensichtlich hatte; und welche Ziele einer erneuerten jüdischen Kultur man ansteuern sollte. Ein Kollege, der schon seit Mitte der Achtziger dieselben Fragen stellte und auf Zorns "Tzadik"-Label veröffentlichte, wurde von der Öffentlichkeit bald am engsten mit dieser Strömung in Verbindung gebracht: David Krakauer.
Der heute 60 Jahre alte New Yorker Klarinettist ist der große Erneuerer der Klezmer-Musik, wofür die Namen seiner beiden Bands stehen: The Klezmatics und Klezmer madness! So breitbandig, geschickt und nachhaltig wie niemand vermischte er die traditionellen Formen und Klänge mit Jazz, Rock, Soul, sogar Hip-Hop und einer Menge Dancefloor, in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Kronos Quartett, Funk-Posaunist Fred Wesley oder DJ Socalled. Zuletzt hat Krakauer diese Öffnung des klassischen Klezmer auf jeweils einen Schwerpunkt konzentriert weitergeführt: einmal in Richtung Avantgarde, zum anderen in eher konservativen Retrospektive-Projekten. Mit seinem autobiografischen Filmmusik-Programm "The Big Picture" etwa hat er im vergangenen Jahr die 28. Jüdischen Kulturtage eröffnet.
Nun ist Krakauer wieder im angestammten Elektro-Jazz-Rahmen mit seinem Quintett Ancestral Groove zurück: In der Unterfahrt stellen Krakauer, Gitarristin Sheryl Bailey, E-Bassist Jerome Haris, Schlagzeuger Michael Sarin und Elektroniker Jeremy "Keepalive" Flowers das neue Album "Checkpoint" - auf dem Cover sieht man DDR-Einreise-Stempel über seinem Passbild - vor, das mit spannungsgeladenen Klezmer-Paraphrasen voller treibender Rhythmen und Samples da weitermacht, wo Krakauer mit Klezmer madness! aufgehört hat.
David Krakauer, Freitag, 21. Oktober, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42, ☎ 448 27 94