20 Jahre BKM:Fitness für Demokraten

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Die ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Christina Weiss (l-r), Michael Naumann (SPD), Bernd Neumann (CDU), Julian Nida-Rümelin (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Monika Grütters (CDU) und Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt-Forums in Berlin, kommen zum Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Amtes des Bundeskulturbeauftragten. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Eine Feier für den Posten des "Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien" im Berliner Schloss der Republik. Auch die Kanzlerin kam.

Von Jens Bisky

Das Foyer des Humboldt Forums gleicht derzeit einem Shoppingcenter, das auf Warenlieferung wartet. Das rekonstruierte Portal im Westen erhebt einen Anspruch, dem Franco Stellas Innenarchitektur nur Ratlosigkeit entgegensetzen kann. Sie rechnet mit der dekorativen Wirkung der Ausstellungsstücke, die das Schloss der Republik in ein Weltkulturendialoglokal verwandeln sollen. Noch herrscht gerasterte Leere. In dieser versammelten sich am Montag gut sechshundert "Kulturfuzzis", um "Zwanzig Jahre BKM", Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, zu feiern. Die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder hatte 1998 Michael Naumann zum ersten Kulturstaatsminister berufen. Es sprachen die derzeitige Staatsministerin Monika Grütters (CDU), der Journalist Volker Weidermann ( Spiegel, "Literarisches Quartett") und die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich nicht anmerken ließ, dass sie wenige Stunden zuvor das Ende ihrer politischen Laufbahn angekündigt hatte. Es spielten, als wollte man an den abgerissenen Vorgängerbau erinnern, Max Raabe und Palast Orchester.

Monika Grütters beschwor "kulturelle Vielfalt gegen populistische Einfalt", freute sich, dass irgendwo da oben auf der Kuppel ein Kreuz in den Berliner Himmel ragen wird: die "Haltung der Offenheit, der Freiheit und auch der Barmherzigkeit, der Solidarität" habe "ihre Wurzeln auch und insbesondere in unserem christlichen Menschenbild". Volker Weidermann wünschte nach einem Parforceritt von Kurt Eisner über Günter Grass bis Robert Habeck eine "mitreißende Erzählung", "für neue große Sachen". Angela Merkel nannte die Kultur systemrelevant und sprach für Presse- und Kunstfreiheit, Erinnerungskultur, Chancengleichheit. Kultur schien an diesem Abend ein Symbol für allerlei Erwünschtes zu sein, ein Harmonisierungsinstrument, ein Hilfsmittel gegen das nicht näher beschriebene dunkle Draußen aus Ressentiment, Einfalt, Bedrohung.

Selbstverständlich waren die Amtsvorgänger gekommen: Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin, Christina Weiss, Bernd Neumann. Warum um ihre Kulturbehörde jahrelang gestritten wurde, verstand man an dem Abend nicht. Die eigene Geschichte schnurrte zum Triumphzug des systemrelevant Guten zusammen. Zwar zitierte Monika Grütters den bayrischen Kultusminister Hans Zehetmair, der das neue Amt so überflüssig fand wie ein "Marineministerium für die Schweiz". Aber das schien eine süddeutsche Privatmeinung zu sein.

Es kennzeichnet die heutige Bundeskulturpolitik, dass die Konflikte und polemischen Energien, denen die Kulturbehörde im Kanzlerinnenamt ihre Existenz verdankt, kaum noch benannt werden. Damals, in den Neunzigern und in den ersten Tagen der "Berliner Republik", ging es um die Frage, welche Art Nation die unverhofft vereinigten Deutschen sein wollten. Es ging um praktische Probleme: die bedrohten Einrichtungen in den Neuen Ländern, um die gesamtstaatliche Repräsentation in der heruntergewirtschafteten Hauptstadt, um die Gedenk- und Aufarbeitungskultur, um Professionalisierung nach europäischen Standards. Entsprechend harsch stritt man um Denkmäler, die Bundeskulturstiftung - darf sie, soll sie und, wenn ja, was? -, um den Tausch Akademie gegen Oper, um das Humboldt Forum.

Noch einmal versprach Monika Grütters einen "kooperativen Föderalismus", eine Kulturministerkonferenz. Und sonst? Mehr als Verteidigung und Verbreiterung der Gegenwart schien keiner vorzuhaben. Zum Jubiläum feierte man die eigene Vortrefflichkeit und, wie Grütters sagte, Kultur als "Modus gesellschaftlicher Verständigung". Die gut gemeinten erbaulichen Reden überantworteten Kultur und Kunst der Stimmung einer offenen Gesellschaft, als diene ästhetische Erfahrung nur der Fitness der Demokraten. Wozu aber dann die Anstrengung der Form? Wäre es nicht einfacher, man ließe predigen?

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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