Interview:"Wir könnten viel mehr Spaß haben"

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Grundy-Chefin Ute Biernat über Kunstfurzen im deutschen Fernsehen, DSDS und leichte Unterhaltung.

Hans Hoff

Ute Biernat, 49, ist seit 2000 Geschäftsführerin der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment und damit verantwortlich für den Erfolg von Sendungen wie Deutschland sucht den Superstar (DSDS), Das Supertalent (beide RTL) oder Das Quiz der Deutschen (ARD).

"Supertalent"-Kandidat Werner Buhl Bellowski. (Foto: Foto: GLE /oh)

SZ: Frau Biernat, wird der Mensch in Deutschland vom TV gut unterhalten?

Ute Biernat: Es gibt Menschen, die werden gut unterhalten durch Volksmusik, es gibt Menschen, die werden gut unterhalten durch Familiensendungen, es gibt Menschen, die überhaupt nicht unterhalten werden, und es gibt Menschen, die nicht unterhalten werden wollen. Wenn man das alles zusammenzieht, kann man sagen: Ja, wir haben ganz gute Unterhaltung, aber nicht genug.

SZ: Was fehlt?

Biernat: Wir könnten viel mehr Spaß haben. Ich glaube, dass die leichte Muse noch zu kurz kommt. Ich meine, die leichte Muse im Sinne von Ratesendungen, bei denen man nichts wissen muss, bei denen man einfach mitraten kann. Von solchen Sendungen gibt es zu wenige. Früher gab es die in rauen Mengen, und sie haben alle gut funktioniert. In der großen Abendunterhaltung fehlt eindeutig Familientaugliches. Ich bin immerhin in der glücklichen Lage zu sagen, dass es DSDS und Das Supertalent schaffen, eine große Bandbreite an Leuten zu unterhalten.

SZ: In der großen Fernsehunterhaltung wird derzeit doch alles nur vercastet und verquizt.

Biernat: Alle machen immer nur das, was gerade gut geht. Geht gut? Mache ich auch. Geht noch eins? Her damit. Da mache ich dann eben noch ein Quiz.

SZ: Aber es schalten auch immer weniger Menschen ein.

Biernat: Das ist ein schleichender Prozess der letzten zehn Jahre, der nicht unbedingt mit der Unterhaltung zu tun hat. Es hat natürlich auch damit zu tun, dass junge Leute im Fernsehen nicht mehr stattfinden. Man muss da sehr aufpassen, dass man deren Musik trifft, dass man deren Erzählformen trifft. Außerdem wird zu wenig für die Nachwuchsarbeit getan. Die letzten Helden der deutschen Fernsehunterhaltung sind vor 15 Jahren an den Start gegangen. Obwohl die ARD offenbar gerade schaut, welche Schätzchen sie im eigenen Hause hat.

SZ: Die muss das tun, weil ihr Pilawa von der Stange gegangen ist.

Biernat: Ja, aber auch die anderen müssen sich besinnen. Die Nachwuchsarbeit wird total vernachlässigt, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Da findet nichts statt.

SZ: Was bringen die Moderatorenwechsel den Sendern, Pilawa zum ZDF, Kerner zu Sat1?

Biernat: Die Sender versprechen sich da sicherlich eine Menge davon, die wollen Zugpferde. Ich finde es immer besser, etwas Neues aufzubauen. Das dauert aber und ist immer ein Investment, egal ob das in Menschen, Ideen, Formate oder Produktionen geht. Der Kauf eines berühmten Moderators ist natürlich auch ein Investment, aber ich hätte da meine persönliche Risikofinanzierung eher etwas gesplittet.

SZ: Mehr Geld für den Aufbau.

Biernat: Unbedingt: Vielleicht tun sie es ja, und es kriegt nur keiner mit, weil sie so spät nachts fördern. Da gibt es Kurt Krömer und Ina Müller, bei denen ich immer noch nicht weiß, warum die noch nicht weiter vorne sind. Ich war beim deutschen Comedypreis, da ging der Nachwuchspreis an Bülent Ceylan, der seit zehn Jahren auf der Bühne steht. Das ist auch erschreckend.

SZ: Kurt Krömer konnte bei der ARD bisher nicht nach vorne kommen, weil da überall Pilawa war.

Biernat: Na, dann geht's doch jetzt.

SZ: Wie wichtig sind denn Köpfe für eine Show?

Biernat: Das muss zusammenpassen. Wenn man sich in zu kleine oder zu große Schuhe zwängt, kommt man auch vorwärts, aber der Gang sieht ein bisschen komisch aus. Die Person muss zu dem, was sie tut, passen. Das muss aber nicht immer jemand sein, den schon jeder kennt. Es gibt junge Leute, die total eloquent sind, die gut reden können, die eine andere Sprache sprechen. Die kann man vor die Kamera bringen, mit denen üben, die ausbilden und ihnen Routine beibringen. Aber nicht jeder kann alles. Frauen und Quiz will der Mensch nicht sehen.

SZ: Warum nicht?

Biernat: Ein älterer weiser Herr, dem man abnimmt, dass er das alles weiß, immer gerne, aber eine strenge Frau wirkt immer wie eine Lehrerin in der ersten Klasse.

SZ: Weshalb hat Ihr Yes We Can Dance nicht funktioniert?

(Foto: Foto:GLE / Schirnhofer /oh)

Biernat: Wir haben es jetzt schon zum dritten Mal versucht. Tanzen im deutschen Fernsehen ist ganz schwer. Und immer schwerer werden auch Sendungen mit Prominenten.

SZ: Weil es keine Überraschung mehr ist, wenn sich Promis zum Affen machen?

Biernat: Genau. Pause jetzt, bitte. Wir brauchen ab und zu mal eine Pause vom immer Gleichen und wir brauchen endlich frischen Wind.

SZ: Eine Pilawa-Sendung ist immer auch ohne Pilawa vorstellbar. Aber Wetten, dass..? ohne Gottschalk oder DSDS ohne Dieter Bohlen geht gar nicht. Was macht man, wenn so einer ausfällt?

Biernat: Dann muss man das Format an den neuen Kopf anpassen. Man kann da nicht einfach nur den Kopf austauschen und sagen: der Nächste bitte.

SZ: Braucht das deutsche Fernsehen einen Kunstfurzer wie beim Supertalent?

Biernat: Wir gucken beim Supertalent, wer sich bewirbt. Dann teilt man ein bisschen ein, damit man nicht mit 90 Sängern und zehn anderen dasteht. Da muss für jeden etwas dabei sein. Das ist nicht so einfach, das zu mischen und in die Waage zu bringen. Das Kunstfurzen kann man dann mögen oder nicht. Die Sendungen sind aber auch dazu da, dass man sich über sie aufregen kann und selber dazu Stellung bezieht. Nur so sagen die Menschen: Ich misch' mich da jetzt mal ein, ich bin selber die Jury zu Hause.

SZ: Laufen Doku-Soaps in der Art von Schwiegertochter gesucht der klassischen Unterhaltung den Rang ab?

Biernat: Das glaube ich nicht. Das ist eine andere Art des Erzählens. Unsere großen Studioshows sind immer noch große Spektakel. Das sind die Dokus nicht. Die wirken dafür authentischer, weil sich der Zuschauer näher dran fühlt. Größe zählt in der Unterhaltungsshow schon noch, und der Zuschauer weiß das auch zu würdigen. Natürlich unterhalten auch die Doku-Soaps und nehmen dadurch Sendeplätze weg, trotzdem laufen sie der Unterhaltung nicht den Rang ab. Mir tut da eher die Fiktion leid. Die haben halt viel längere Vorläufe. Ich kann in drei Monaten mit einer neuen Showidee rauf auf den Sender. Wir können uns viel schneller Trends und Veränderungen anpassen, als wir das wirklich tun. Das finde ich ja so erschreckend, dass wir heute immer noch zwei oder drei Jahre brauchen, ehe eine neue eigenentwickelte Unterhaltungssendung am Start ist.

SZ: Von Produzentenseite ginge es also schneller?

Biernat: Ja, aber das ist letztendlich auch eine Risikofrage: Wie viele Fehler darf ich mir als Sender leisten? Andererseits gibt es ohne Fehler keine Verbesserung. Ich bin der Meinung, dass sich die Herangehensweise an neue Sendungen ändern muss. Weg von der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre, hin zu einer themenspezifischeren Sichtweise. Ich würde gerne mehr Formate entwickeln, die zum Beispiel Wissenschaft, vor allem das Thema Gesundheit und Unterhaltung kombinieren.

SZ: Wie macht sich das Sparen der Sender bei den Produzenten bemerkbar?

Biernat: Man kann immer sparen. Ob wir bei DSDS in zehn Städten casten oder nur in neun, das macht keinen Unterschied. Das sieht man nicht wirklich und das zählt auch keiner nach. Man muss aber aufpassen, dass sich nicht eine Eigendynamik entwickelt und einer sagt: DSDS-Casting in drei Städten geht doch auch. Wir können nicht behaupten, wir kommen auf die Leute zu, und tun es dann nicht mehr. Dann beginnt es, eine andere Sendung zu werden. Dessen muss man sich bewusst sein. Sonst stehen wir hinterher da, würden uns gerne einen Mercedes leisten, haben aber nur Geld für einen Lupo, der aber aussehen soll wie ein Mercedes.

SZ: Wo stehen wir unterhaltungstechnisch im Jahre 2013, bei DSDS 11?

Biernat: Die Marken, die jetzt stehen, wird niemand freiwillig vom Sender nehmen.

SZ: Da muss der Moderator schon vom Stuhl fallen.

Biernat: Oder sagen: Ich habe keine Lust mehr. Und selbst dann wird man wahrscheinlich einen Relaunch versuchen. Ich finde es so schade, dass sich eine große Sendeanstalt nicht mal eine große Unterhaltungsoffensive leistet und sagt: Jetzt spielen wir Roulette, alles auf Schwarz. Jetzt gehen wir ein Jahr lang in eine Richtung und warten nicht, bis einer geht oder stirbt. Ein bisschen renovieren hier und da hilft da nicht. Wenn ich daran denke, dass der WDR zu Zeiten von Michael Pfleghar gekocht hat. Alles Neue in der Unterhaltung kam aus Köln.

SZ: Da lebten die Dinosaurier noch.

Biernat: Dann hat es RTL an sich gerissen in den 80ern, danach ploppten die Geysire überall so ein bisschen auf, und jetzt ist Dürre. Ich denke immer, das kann doch nicht sein. Wir können doch nicht einfach warten, bis so ein Eimer leer ist und dann mit dem Gießkännchen kommen.

© SZ vom 13.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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