Internetvideo der Woche:Endlich enthemd

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Verborgene Menschheitsplage T-Shirt: Videos zeigen, wie man es spektakulär schnell auszieht und noch schneller zusammenfaltet. Völker, Shirt die Signale!

Christian Kortmann

Jetzt mal die harten Fragen, die, die uns wirklich an die Wäsche gehen: Wie behandeln wir eigentlich unsere T-Shirts, was liegt im Argen, was können wir besser machen? Wie schon beim Knoten der Schnürsenkel geht es auch in der T-Shirt-Praxis um die Optimierung eines alltäglichen Vorgangs, der zu oft vernachlässigt wird. Denn das T-Shirt hat sich vom Unterhemd zum vollwertigen Kleidungsstück emanzipiert und rechtfertigt diese Karriere durch eine im Untergewebe verborgene Kapriziösität.

So wie es die T-förmige Abstraktion des Oberhemdes darstellt, so hat es von diesem die Komplexität in der Pflege und Instandhaltung übernommen, auch wenn es diese auf den flüchtigen Blick leugnet. Zwar muss man ein T-Shirt nicht bügeln, was seinen Urahn in der nicht bügelfreien Variante zum fürchterlichsten, nervenaufreibendsten Kleidungsstück macht. Doch ganz so einfach ex und hopp, wie es die Doppel- oder Zehnerpacks im Kaufhaus versprechen, darf man ein T-Shirt auch nicht behandeln.

Wer ein T-Shirt nach dem Waschen schon mal derart zum Trocknen aufgehängt oder anschließend zusammengelegt hat, dass sich beim Tragen eine unschöne vertikale Falte auf der Brust bildet oder quasimodohafte, vom Kleiderbügel aus der tropfnassen Baumwolle gestanzte Buckelchen aus den Schultern wachsen, der weiß, wovon die Rede ist. Abhilfe verspricht die japanische Falttechnik im Clip "Japanese way of folding T-shirts!".

Mit den gezielten Griffen, die das T-Shirt wie bei der Akupressur an seinen wirkungsvollsten Punkten treffen, lässt es sich im Nu faltenfrei zusammenlegen. Die Japaner wissen nicht zum ersten Mal durch Falten zu gefallen. Wir erinnern uns an den Origami-Tag im Kindergarten: Keiner versteht, was die Kindergärtnerin da zusammenfummelt, bis plötzlich der Papierschwan auf dem Tisch steht.

Nun verwandelt sich der oft schief verwaschene T-Shirt-Stoffschlauch zum planen Rechteck wie aus dem Geometrielehrbuch. Auch hier wird von außen niemand verstehen, was der Ninja-Krieger lautlos und rätselhaft mit seiner Wäsche anstellt. Der Showeffekt ist garantiert. Denn man erzeugt bei dieser Technik scheinbares Chaos, das sich mit dem letzten Handgriff in Wohlgefallen auflöst. Die kantengenaue Textilharmonie würde selbst den hartherzigsten Militärausbilder bei der Spindkontrolle zu Tränen rühren.

Sein Unterwäsche-Erbe führt das T-Shirt dergestalt fort, dass es, hauteng getragen, mit dem Oberkörper eine mitunter innige Verbindung eingeht. Dann klebt das T-Shirt regelrecht am Rücken fest, will gar nicht mehr runter, wie ein Cowboy, der nach einem langen Ritt durch eine Wüstenlandschaft mit steifen Beinen den Sattel umklammert. Doch man selbst will nichts als fort aus dem feucht-verschwitzten Vlies und renkt und windet sich wie eine Schlange bei der Häutung. Wenn man Pech hat, zerrt man sich dabei die Schulter oder handelt sich einen Hexenschuss ein.

All dem beugt der Clip "Instant Shirt Removal" vor, der die schnellstmögliche T-Shirt-Ausziehvariante präsentiert. Es braucht ein wenig Übung, bis man sich das Shirt nach dem Griff unter die Achsel geschwind über den Kopf ziehen kann. Als sei es eine Aufforderung zum Kampf, so schleudert der Vorführende das T-Shirt auf den Boden.

Das ist die Geste der Rockstars, die, wenn sie nach drei bis vier Songs warmgespielt sind, den Oberkörper entblößen und damit signalisieren, dass es nun richtig losgeht. Und die Stimme aus dem Off hat ja so recht: Wenn das T-Shirt weg und man endlich gehäutet ist, fühlt man sich nach der Moder- und Schimmelphase wieder lebendig.

Bei allem An und Aus ist die T-Shirt-Frage erst mit dem Auftritt des Säulenheiligen der T-Shirt-Träger vollständig behandelt: Matt McAllister und sein Video "Guinness World Record for most T-Shirts worn at one time" wurden schon in frühen YouTube-Tagen berühmt, weil McAllister 155 T-Shirts überstreifte und damit einen Weltrekord aufstellte.

Genau für solche aus dem Alltag gegriffene Situationen, wenn man mal wieder 154 T-Shirts zu viel angezogen hat, ist es überlebensnotwendig, die richtigen Auszieh- und Zusammenfalttechniken zu beherrschen.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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