Internet und arabische Welt:Alef und O

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Viele Araber schreiben oder chatten auf Arabisch und Englisch zugleich. Nun hat Dubai eine zweisprachige Typografie entwickelt.

Von Paul-Anton Krüger

In Dubai steht das mit 828 Metern höchste Gebäude der Welt. Das extravagante Golf-Emirat hat künstliche Inseln in der Form von Palmen aufschütten lassen und ein Archipel, das aus der Luft betrachtet einer Weltkarte gleicht. Noch in diesem Jahr sollen Taxi-Drohnen Passagiere durch die Stadt fliegen, die sich gerne als Vorreiter von Innovation präsentiert und sich offiziell der Vision einer wissensbasierten Gesellschaft verschrieben hat. Jetzt hat der Stadtstaat eine eigene Schriftart entwickeln lassen: Dubai Font.

Sie ist auf Plattformen des Softwareherstellers Microsoft Millionen Nutzern zugänglich; Kronprinz Scheich Hamdan bin Mohammed bin Raschid al-Maktum stellte sie auf Twitter - wo sonst - als "einzigartiges Projekt" vor, das "das Erbe und die Kultur der Vereinigten Arabischen Emirate spiegelt" und als "neuen digitalen Weg, sich auszudrücken". Er ordnete an, dass alle staatlichen Stellen die Schrift für ihre Korrespondenz zu verwenden haben. Und die in dem Emirat erscheinende englischsprachige Khaleej Times druckt ihre Überschriften auf der Titelseite in Dubai.

Die Schrift, die es in vier Stärken gibt, ist optimiert für das Lesen am Bildschirm, es wurden zugleich arabische und lateinische Lettern entwickelt. Die schlichte, serifenlose Typografie soll arabisches Alef und lateinisches O besser zueinander passen lassen. Dubai kommt damit Anforderungen der digitalen Welt entgegen, in der in Dokumenten und Kommunikationsformen englische und arabische Teile miteinander vermischt werden - in E-Mails, elektronischen Chats und inzwischen auch in der Umgangssprache. Keine Seltenheit, dass junge Araber, gerade aus der IT- oder Werbebranche, einen Satz in ihrer Muttersprache beginnen, dann englische Begriffe einflechten und mit "You know?" enden - nicht nur im Gespräch mit Ausländern. Die Schrift hält zudem Lettern für 21 weitere Sprachen bereit, von Afrikaans bis Urdu.

Menschenrechtler spotten über das Werbevideo: Die Schrift als Ausdruck von Freiheit? In Dubai?

Entwickelt hat die Schrift Nadine Chahine, eine aus Libanon stammende Schriftdesignerin und die Arabisch-Expertin bei Monotype, einer führenden Agentur für Schriften. Die Medien in Dubai werden nicht müde herauszustellen, dass der Kronprinz persönlich jeden einzelnen Schritt begleitet habe, seit er im Januar 2016 den Auftrag für die Schrift erteilte. Chahine hatte sich schon während des Studiums auf arabische und lateinische Schriften konzentriert und sich bemüht, diese "in eine harmonische Beziehung zu setzen", wie es in ihrem Lebenslauf heißt. Harmonie ist einer der zentralen Begriffe in der Vision des Emirats, das immerhin als erstes Land der Welt ein Ministerium für Glück eingeführt hat.

Natürlich wurde auch Dubai Font als Superlativ verkauft, als erste Schrift, die für eine Stadt entworfen wurde und deren Namen trage - das aber stimmt nur, wenn man die Verfügbarkeit auf den omnipräsenten Microsoft-Programmen zum Kriterium macht. Die jordanische Hauptstadt Amman hat schon 2010 in Zusammenarbeit zwischen Kommunalverwaltung, einer Designagentur und dem unter dem Künstlernamen Yanone arbeitenden, am Bauhaus ausgebildeten deutschen Schriftdesigner Jan Gerner eine eigene Schrift entwickelt, FF Amman Serif, ebenfalls mit arabischen und lateinischen Buchstaben.

Weit mehr Kritik von Menschenrechtlern und Häme im Internet brachte Dubai aber ein Werbevideo ein, in dem die Schrift als kraftvolles Ausdruckmittel gepriesen wird, das "keine Grenzen kennt". Sich auszudrücken sei "Stärke und Freiheit. Es definiert, wer du bist", heißt es in dem Clip weiter. Die Meinungsfreiheit allerdings wird weder in Dubai noch in den sechs anderen Emiraten der Föderation gewährleistet, die Medien sind zensiert, vor allem bei Kritik am Herrscherhaus. Dubai und die anderen Emirate sind absolute Monarchien. Andrew Stroehlein, Medien-Direktor von Human Rights Watch (HRW) in Europa, schrieb auf Twitter: "Wer wird die erste Person sein, die eingesperrt wird, weil sie damit ihre abweichende Meinung zum Ausdruck bringt?"

Laut Amnesty International schränken die Behörden in den Emiraten "willkürlich das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit" ein. HRW schreibt in seinem Jahresbericht, Kritiker liefen Gefahr, dass der Sicherheitsapparat sie verschwinden lasse oder festnehme. Es gebe Informationen über Misshandlungen in Gewahrsam. Berichten lokaler Medien nach hat das Oberste Gericht vergangenen Mai einen Bürger zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil er in sozialen Medien die Führung der Vereinigten Arabischen Emirate und der Institutionen des Landes beleidigt habe. Im März dieses Jahres wurde Ahmed Mansoor festgenommen, ein bekannter Menschenrechtsaktivist. Dubai ist bei westlichen Touristen und Expats beliebt, aber die Glitzerfassaden überstrahlen die dunklen Seiten des Stadtstaates.

Auch sind die Verwender der neuen Schriftart nicht frei, damit auszudrücken, was sie möchten: Im Feingedruckten der Endnutzer-Lizenz, der man zustimmen muss, bevor man die Schrift herunterladen kann, heißt es: Ausdrücklich untersagt ist jede Nutzung, die der "öffentlichen Moral", den Werten oder der lokalen Kultur der Vereinigten Arabischen Emirate zuwiderläuft.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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