Im Kino: "It might get loud":Küss den Gitarristen

Lesezeit: 3 min

Was passiert, wenn Gitarristen von U2, Led Zeppelin und den White Stripes aufeinandertreffen? Ein Liebesfilm auf sechs Saiten: "It Might Get Loud".

David Steinitz

Lautes Klopfen. Tack, tack, tack, tack. Ein altes Farmhaus in Tennessee. Jack White baut eine E-Gitarre aus einem Brett, einer kleinen Colaflasche, ein paar Saiten. Alles schön festhämmern, tack, tack, und das Endprodukt röhrt wild aus dem Verstärker. Die Kuh auf der Weide vor dem Farmhaus muht. Jack White hebt seine Zigarette vom Tisch auf. "Wer sagt, dass man sich eine Gitarre kaufen muss?"

Keine Spur von Generationen- und Eitelkeiten-Konflikt: Jack White (li.) von den White Stripes, The Edge von U2 und Jimmy Page von Led Zeppelin (re.) zusammen im Probenraum. (Foto: Foto: dpa)

"It Might Get Loud" von Davis Guggenheim ist ein Liebesfilm. Eine Ode an die E-Gitarre. Drei Musiker aus drei Generationen lässt Guggenheim, der 2007 einen Oscar für seine Al-Gore-Schau "Eine unbequeme Wahrheit" gewonnen hat, aufeinandertreffen. Jimmy Page, Gitarrist bei den Yardbirds und bei Led Zeppelin, The Edge von U2 und Jack White von den White Stripes und den Raconteurs. Es geht um die Liebe zu ihrem Instrument, die lebensbestimmende Liaison, die die Musiker mit der Gitarre eingegangen sind und über die sie sich miteinander austauschen sollen.

"Wahrscheinlich gibt's eine Schlägerei"

Was wird passieren, wenn die drei Musiker aufeinandertreffen? "Keine Ahnung", sagt Jack White, der nicht nur bei Konzertauftritten, sondern auch hier im Film wirkt, als wäre er kurz davor, dem Wahnsinn zu verfallen: "Wahrscheinlich gibt's eine Schlägerei." Auf einem Set in einem Hollywood-Studio setzt Guggenheim sie zusammen, umringt von Gitarren, Verstärkern und einem großen Filmteam, das die Unterhaltung mit sieben Kameras aufzeichnet. Dies ist der Kern des Films, der ergänzt wird von Ausflügen zu den Orten der musikalischen Sozialisation.

Guggenheim hat White in seinem Farmhaus und in seiner Geburtsstadt Detroit besucht ; The Edge in Dublin, im Studio und in dem Klassenzimmer, in dem sich einst die vier U2-Mitglieder kennen gelernt haben; Jimmy Page hat den Regisseur in sein Haus außerhalb Londons geladen, wo eine der schönsten Szenen entstanden ist: Page steht vor seinen Plattenschränken, holt hier und da eine heißgeliebte Platte hervor, erzählt nasal-nuschelnd etwas dazu, legt sie auf, grinst glücklich - und fängt an Luftgitarre zu spielen.

Es wird viel gegrinst

Überhaupt wird sehr viel gegrinst in diesem Film. The Edge, dem es auch mit 48 nicht peinlich ist, sich The Edge zu nennen, hat den gleichen Gesichtsausdruck, als er alte U2-Demos hervorkramt. Dieses verträumte Lächeln erinnert an Schuljungen, die sich das erste Mal verknallt haben, und bei der Gitarre handelt es sich vermutlich bei allen dreien um die erste Liebe, die noch vor den Mädchen kam. Diese Liebe wollte Guggenheim porträtieren. Vor allem wollte er seine Protagonisten weniger als Ikonen denn als passionierte Musiker zeigen, auf die Heroisierung verzichten, wie sie in Konzertfilmen von Martin Scorsese ("Shine a Light" mit den Rolling Stones) oder Jonathan Demme ("Heart of Gold" mit Neil Young) zu beobachten war.

Ikonenhaftes bleibt natürlich nicht ganz aus, denn der Zauber des Rockstars, der vor tobenden Massen seine Gitarre spielt, lässt sich nicht einfach vom Musikliebhaber subtrahieren. Das ist aber auch gar nicht notwendig, denn die Bühne und die Fans schweben im Musikertraum mit, von dem Moment an, da die ersten Akkorde gelernt werden. Und zu diesem Punkt der Verliebtheit treibt Guggenheim seine drei Helden zurück. Man sieht The Edge im Probenraum, er spielt "Where the Streets Have No Name", mit und ohne Effektgerät, um zu zeigen, wie wichtig diese für den U2-Sound sind. Dann hört man den gleichen Song aus dem Off, er wird immer lauter, bis Guggenheim zu einem U2-Konzert schneidet, ins feiernde Stadion - dorthin kann es dich bringen, dieses Sechssaiteninstrument.

Der Gedanke, dass die drei Gitarristen eigentlich in einem natürlichen Generationen- und Eitelkeiten-Konflikt stehen könnten, verflüchtigt sich schnell, wenn sie zusammen philosophieren und jammen. Auch hier wieder das verlegene Grinsen, wenn sie einander ihre Tricks vorführen. Die Gitarre bleibt ein männlicher Mythos auch in diesem Film. Zumindest bestätigt ihre Coolness nochmals, was man als unmusikalischer Junge schon längst befürchtet hatte: dass man Mädchen so viele Mixtapes aufnehmen kann, wie man will - sie küssen trotzdem lieber Gitarristen. Man kann es ja verstehen.

IT MIGHT GET LOUD, USA 2008 - Regie: Davis Guggenheim. Kamera: Guillermo Navarro, Erich Roland. Mit: Jimmy Page, The Edge, Jack White. Arsenal, 97 Minuten.

© SZ vom 27.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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