Im Kino: I love you Philipp Morris:Wattewölkchenhimmel

Lesezeit: 2 min

Lügen und betrügen, bis man in einer Villa wohnt: Jim Carrey spielt den stockschwulen Hochstapler Steven, der sein Glück erst im Knast findet.

Susan Vahabzadeh

Jim Carrey hat sich spezialisiert auf abgedrehte Charaktere, auf Figuren, die ein wenig zu laut sind und zu überdreht und ein paar Grimassen zuviel ziehen, um sich unauffällig durch den Alltag zu mogeln. Diese Figuren haben meist nur ins sehr leichte Fach gepasst, wenn man vom Man on the Moon und dem aus gutem Grund überspannten, dauerfernsehüberwachten Truman aus der Truman Show absieht.

Einer der teuersten Komiker Hollywoods: Jim Carrey spielt einen rastlosen Hochstapler. (Foto: Foto: Verleih)

Groteskes Potential

Er ist mit seiner überkandidelten Art zu einem der teuersten Komiker Hollywoods geworden - und es ist ganz schön zu sehen, wie er sich in einem versponnenen kleinen Indie-Film bewährt: Man muss so einen Typen nämlich letztlich doch nur ein wenig herunterdimmen und leicht in eine andere Richtung drehen, damit er als romantischer Held taugt - das ist die Erkenntnis, die man aus der Dramödie I Love You Phillip Morris von John Requa und Glenn Ficarra mitnimmt. Eine aberwitzige Geschichte haben die beiden, aller Romantik zum Trotz, aber trotzdem zu erzählen - eine, die so irrsinnig ist, dass man sie vielleicht als romantischen Unfug abtäte, wäre sie nicht ein bisschen wahr.

Carrey spielt Steven Russell, der uns vom Sterbebett die Geschichte seines Lebens erzählt, im Prinzip chronologisch, aber - da spiegelt die Erzählstruktur sehr schön ihren Helden - mit winzigen, oft wesentlichen Auslassungen - mit dem Satz "Ich vergaß wohl, das zu erwähnen" reicht er dann immer wieder mal das eine oder andere Detail nach. Kindheit auf dem Land, sehr gottesfürchtig, sehr spät darauf hingewiesen, dass er adoptiert ist, verheiratet, eine Tochter, immer noch sehr gottesfürchtig, von Beruf Polizist - und eigentlich, das vergaß er zu erwähnen, ein stockschwuler Hochstapler. Requa und Ficarra haben eine wahre Story aufgetan für ihr Drehbuch - und das groteske Potential voll ausgekostet.

Bonbonbunter Luxus

Aus dem armen Kind wird ein einfacher Mann, der an die Türe seiner leiblichen Mutter hämmert, die nichts von ihm wissen will - aber Steven verlangt etwas besseres als das, was ihm das Schicksal zugeteilt hat. Er will, dass sich sozusagen über ihm ein kitschigblauer Wattewölkchenhimmel wölbt, wie er im Film immer wieder auftaucht, er verlangt für sich den bonbonbunten Luxus seiner Träume, drunter macht er's nicht - und er wird immer und immer wieder ein neues Leben anfangen, bis es endlich soweit ist.

Nach Florida ziehen und lügen und betrügen, bis er dort in einer Villa wohnt, mit der Liebe seines Lebens. Das Schicksal allerdings sträubt sich, um es mal vorsichtig zu formulieren, gegen Stevens Manipulationsversuche. Wegen der ersten Betrügereien landet er im Knast, und dort trifft er sie dann, endlich, die Liebe seines Lebens - Phillip Morris, von Ewan McGregor verkörpert, als Gegenstück, mit viel Ruhe und Ernst.

Bewusste Künstlichkeit

Phillip ist ein verdruckster schüchterner Mithäftling. Ein richtig süßer Junge, den Steven fortan beschützen und verwöhnen will. Er fängt erst mal damit an, dass er sich nach seiner Entlassung als Anwalt ausgibt und den Liebsten aus dem Knast trickst. Genaugenommen haben Menschen aus Liebe schon Schlimmeres getan.

Requa und Ficarra, die vorher den bösen "Bad Santa" gemacht haben, schwelgen in bewusster Künstlichkeit, in übertriebenen Dekors und viel zu großen Gesten - und so entwickelt I Love You Phillip Morris letztlich den selben Charme wie sein Held: Dem ist nichts zu verschlagen, wenn es um Geld geht, er bringt den Geliebten versehentlich in den Knast, lügt ihn an - aber keine Sekunde würde man bezweifeln, dass er ihn dennoch von Herzen liebt. In der Liebe sind die Hochstapler von den Ehrenmännern fast nicht zu unterscheiden, sie widersetzt sich der Logik und der Belegbarkeit; dass jemand einen liebt, kann man immer bloß glauben.

I LOVE YOU PHILLIP MORRIS, USA 2010 - Regie, Buch: John Requa und Glenn Ficarra. Mit: Jim Carrey, Ewan McGregor. Alamode, 102 Minuten.

© SZ vom 29.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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