Im Kino: Die kommenden Tage:Das Glück ist ein Irrtum

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Berlin hat sich ganz schön verändert: In "Die kommenden Tage" von Lars Kraume muss die Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen auf das Luxusleben ihrer Eltern verzichten.

David Steinitz

Schaurig schön, wie die Zukunft lockt, die fiktive zumal, wie sie - selbstzerstörerisch, autoaggressiv - alles Schöne und Wahre fortspült, nicht irgendwann, sondern eher übermorgen. Lars Kraume hat sich in Die kommenden Tage ein solches Übermorgen erdacht, sein Film spielt zwischen 2012 und 2020.

Bernadette Heerwagen als Laura Kuper (hinten) und Johanna Wokalek als Cecilia Kuper in dem Drama "Die kommenden Tage" von Lars Kraume. (Foto: dapd)

Ein Chaos-Mix aus Verteilungskämpfen mit der Dritten Welt, Ökonomie-Hysterie und RAF-ähnlichen Anti-Wohlstands-Kommandos. Zentraleuropa verschanzt sich vor dem Rest der Welt, gegen die Flüchtlingsströme von draußen. Drinnen, in den ehemaligen Wohlstandsdemokratien, versinken die etablierten politischen Spielregeln in der Bedeutungslosigkeit.

In der deutschen Hauptstadt spielt sich der größte Teil des Films ab. Optisch sieht das Berlin der Zukunft aus wie eine Kreuzung aus dem heutigen Frankfurt und einem anarchistischen Wochenmarkt. Die Stadtbewohner arbeiten an iPad-ähnlichen Apparaturen, an den Bussen wird animierte Reklame gemacht, am Himmel schweben Zeppeline.

In dieses Tohuwabohu platziert Kraume eine Familiengeschichte, die den großen Umbruch im kleinen, privaten Kosmos spiegelt. Wie genau er aufs Auf und Ab von Beziehungen reagieren kann, hat er 2005 in dem charmanten, improvisierten Liebes- und Musikfilm Keine Lieder über Liebe dokumentiert.

Auch in Die kommenden Tage geht es um die Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen - die künftig auf das Luxusleben ihrer Eltern verzichten müssen. Die Studentin Laura (Bernadette Heerwagen) hadert mit Familie und Männern und wünscht sich, der pessimistischen Aussichten zum Trotz, ein Kind. Der einzige angeborene Irrtum des Menschen sei, muss sie sich frei nach Schopenhauer anhören, dass man lebe, um glücklich zu sein.

Auch wenn sie etwas unbedarft wirken mag: Ihr Ringen um ein glückliches Leben ist noch das wahrhaftigste Streben in diesem Film, in dem es von überambitioniert gespielten Charakteren nur so wimmelt. Die Zukunft bedrohlich zu imaginieren, mag ein Bedürfnis des Menschen sein; Erkenntnis bringt sie hier indes nicht. Die Träume der Zukunft liegen für Laura in der Vergangenheit, in der Erinnerung an einen Ausflug mit einem geliebten Menschen an einem verführerischen Sommertag.

DIE KOMMENDEN TAGE, D 2010 - Regie, Buch: Lars Kraume. Kamera: Sonja Rom. Mit: Bernadette Heerwagen, Johanna Wokalek, Daniel Brühl, August Diehl, Jürgen Vogel. Universal, 129 Minuten.

© SZ vom 04.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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