Im Kino: Aufstand der Praktikanten:Gedemütigte Gratisarbeiter

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Kaffee kochen war gestern: Im Film "Résiste - Aufstand der Praktikanten" wechseln ausgebeutete Unterdrückte SMS mit der Bundeskanzlerin.

Inga Ehret

Jede Dekade verpasst ihrer Generation ein eigenes Etikett. Die Benennungswut hat die Generationen Golf und X aus dem Wortschatz gehoben, und schließlich die Generation Praktikum, die seit Mitte der neunziger Jahre für ein ganz eigenes, negativ konnotiertes Gemeinschaftsempfinden steht. Überdurchschnittlich gebildet und unterdurchschnittlich bezahlt sind die Hochschulabsolventen dieser fast zum Nulltarif arbeitenden Schicksalsgemeinschaft, die sich in Zeiten der Wirtschaftskrise neu zu formieren scheint. "Résiste - Aufstand der Praktikanten" heißt jetzt das filmische Porträt dieser fast schon tot geglaubten Generation, der Jonas Grosch in seinem Kinodebüt ein Gesicht gibt.

Katharina Wackernagel spielt Sydelia: Die junge Französin fordert den Praktikanten-Generalstreik. (Foto: Foto: dpa)

Till ist Praktikant und hat genug von der Knechtschaft. Gedemütigt von der Gratisarbeit wird er nach einem Jahrespraktikum trotz ewiger Versprechungen wieder nicht in eine Festanstellung übernommen. Till hat die Nase voll vom wirtschaftlich organisierten Ausbeutertum und entwickelt mit seinen Freunden aus dem herrschenden Missstand ein Geschäftsmodell: Er gründet eine Beraterfirma für Praktikanten, um deren Arbeitsbedingungen mit dubiosen Methoden zu verbessern.

Aber schnell erwischen die Gesetze der Marktwirtschaft auch ihn - und er wird selbst zum Ausbeuter. Die Ideale sind weggefegt, Gewinnmaximierung wird zum Credo erhoben, sofort stellt sich Erfolg ein. Till wird zum Jungunternehmer des Jahres gewählt, eine Entwicklung, die seine Alt-68er-Eltern (Christof und Sabine Wackernagel) mit Unbehagen beobachten, die immer noch sentimental Revoluzzer-Relikte aus Brockdorf und Wackersdorf wie den Heiligen Gral hüten.

Auch Tills Jugendliebe Sydelia steigt ein, der jungen Französin liegt der revolutionäre Geist im Blut und stehen die roten Kleider bemerkenswert gut. Sie will gleich den Umsturz, einen deutschlandweiten Praktikanten-Generalstreik, und versucht also Tills revolutionäres Gewissen zu reaktivieren, mit umstürzlerischem Standard-Vokabular, das ihr so munter über die Lippen sprudelt, dass sie fast wie eine Karikatur wirkt. Da heißt es "Aufstand" und "Kampf"", die Faust wird in die Höhe gereckt.

Surrealer Schulterschluss

Doch eine Revolution braucht selbstverständlich auch Widersacher, und so tritt als Repräsentant des Machtapparats Magnat Magnum (Devid Striesow) aufs Parkett. Fürs Individuelle bleibt am Ende nicht viel Raum, die Praktikanten agieren, als Vertreter ihrer Generation, schablonenhaft, vom Kaffee- bis zum dienstältesten Praktikant. Die Fülle der Probleme - Tills Konflikt mit den Eltern, seine Liebe zu Sydelia, sein Gewissenskonflikt, schließlich die sozialkritische Reflektion des Praktikanten-Systems -, all das überstrapaziert den Plot, also versucht Regisseur Grosch in mehreren eingeschobenen Szenen die Handlungsspirale weiterzudrehen, indem er das Geschehen szenisch aus der Realität hebelt und in surreales Milieu versetzt, ein erzählerischer Schulterschluss, der nur bedingt gelingt.

Geeint im Geist wie in der Person kann die geschröpfte Generation am Ende in Slowmotion zu monumentalen Klängen zum Aufstand schreiten. Sogar die Bundeskanzlerin nimmt Notiz vom Aufbegehren der Unterdrückten. Eine SMS schreibt sie dem geläuterten Till, sie bitte um ein Gespräch. Ein schönes Wunschdenken - auch im Bundestag stützt man das prekäre System, Praktikanten werden hier ebenfalls nicht entlohnt.

RÉSISTE - AUFSTAND DER PRAKTIKANTEN, D 2009 - Regie, Buch: Jonas Grosch. Kamera: Matthias Hofmeister. Mit: Katharina Wackernagel, Hannes Wegener, Sabine und Christof Wackernagel, Devid Striesow, Michael Kind, Steffen C. Jürgens. Movienet, 95 Minuten.

© SZ vom 12.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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