Hundertwasser-Ausstellung:Wie ein glücklicher Drogenrausch

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Bloß nicht gerade, quadriert und schlicht: Detail aus "178 Die politische Gärtnerin" von Hundertwasser (1954).  (Foto: Kunsthalle Bremen)

Friedrich Hundertwasser träumte von der Kunst als besserer Welt, in der Mensch und Natur eins sind. Doch seine Vision endete im bunten Krawattendesign. Eine Bremer Schau bemüht sich nun darum, seine Ehre zu retten.

Von Kia Vahland

Es ist nicht leicht, neue Ausstellungsthemen zu finden. Große Namen ziehen immer, Picasso, Manet - aber solche Leihgaben sind für mittelgroße Museen schwer zu bekommen.

Kunsthistorisch verdienstvoll sind Neuentdeckungen aus der zweiten Reihe, wie es gerade in Lüdenscheid und Oldenburg mit der Malerin Ida Gerhardi gelungen ist. Nur ist der Erfolg bei Publikum und Presse ungewiss, wenn ein Name kaum bekannt ist. Der Quotendruck aber steigt vielerorts und beeinflusst nicht nur die Aufmachung einer Schau, das Marketing drumherum, sondern auch die Wahl der gezeigten Werke.

Nun gibt es Museumsdirektoren, die sich über solche Zwänge hinwegsetzen und nur präsentieren, was ihnen selbst gefällt. So hielt es Wulf Herzogenrath, der frühere Direktor der Kunsthalle Bremen. Mit ihm kam das Publikum der Hansestadt im Laufe der Jahre in den Genuss der Videokunst-Avantgarde von Nam June Paik bis in die Gegenwart. Das mochte für etliche Besucher Neuland gewesen sein, aber sie gingen trotzdem hin.

Inzwischen hat das Museum einen gediegenen Anbau bekommen und einen neuen Direktor, Christoph Grunenberg von der Tate Liverpool. Seine erste große Ausstellung widmet sich einem Allzubekannten: Friedensreich Hundertwasser. Zur Halbzeit konnte die Schau ihren 50.000. Gast feiern, der Direktor freute sich besonders über die vielen "Erstbesucher in einem Museum". Man habe ein "neues und jüngeres Publikum" erreicht.

Nur: Was ist das für ein Bild der Kunst, das die Ausstellung vermittelt? "Gegen den Strich", so der Titel, heißt erst einmal: gegen die Kunstgeschichte, die Friedrich Hundertwasser (1928-2000) nicht für voll nimmt. Er mag in den fünfziger Jahren mit Yves Klein, Christo und anderen begonnen haben, behauptete sich dann aber nicht in Galerien, Museen und auf Biennalen, sondern auf Seidenschals, Regenschirmen, Geschirr und in massentauglichen Bauten in bunten Farben und geschwungenen Formen.

Vegetativ und überbordend wünschte sich Hundertwasser Kunst, Design und Architektur, bloß nicht gerade, quadriert und schlicht. Damit traf er einen Nerv, weniger dank der Qualität seiner Werke, als vielmehr in Folge der modernen ästhetischen Tristesse, die viele Leute empört. All die Stadtplaner, die lange nach der Zeit des Bauhauses in dessen Namen Bunkerstädte und Betonburgen errichteten, die spätberufenen Futuristen, die Ortskerne mit vielspurigen Autostraßen durchschnitten, auch einige Konzeptkünstler, die mehr dem Wort als dem Auge vertrauten: Ihnen galt und gilt der Zorn vieler Bürger, und wer wollte ihnen das verdenken?

Inmitten des Grau-in-Grau nannte sich plötzlich einer Friedensreich Hundertwasser, versprach das Einssein des Menschen mit der Natur, beschwor organische Formen und hielt Reden unter Titeln wie "Mein Bestreben, mich vom allgemeinen Bluff unserer Zivilisation zu befreien" (1952). Das "Paradies" sei für jeden lebbar, glaubte der Künstler, hier und jetzt, mit ein bisschen Mut gegen das visuelle Establishment. Mit ihm konnte sich jeder als Revolutionär fühlen, der einen seiner massenhaft verbreiteten Drucke erstand, oder auch nur, wie im Bremer Museumsshop, Wolle in Hundertwassertönen.

Er selbst webte als junger Mann einen Teppich, auf dem ein Knabe in Sträflingsstreifen ein Hochhaus niederpinkelt: Der Mensch ist ein Naturviech, stärker als Glas und Stahl. Der Ökofuror Hundertwassers mag in den Fünfzigern seiner Zeit voraus gewesen sein, ein Gegenbild scheinbar zur kapitalistischen Entfremdung des Menschen - aber leider verfing der Künstler sich in betulicher Esoterik, pries Leuchtfeuer, Blütenkelche, Regentropfen und Gärtnerarbeit, als wäre das Leben ein einziger glücklicher Drogenrausch, ohne Hirn und Herz, mit denen sich Realitäten erkunden ließen.

Heute glaubt kaum noch jemand an ein für den Menschen glückliches Ende der Zivilisation. Die affirmative Bremer Schau beschwört einen längst vergangenen, eskapistischen Traum, zeigt die Kunst als das bessere Andere, auch wenn sich das nur im Krawattendesign vollenden konnte. Eine schale, trügerische Veranstaltung ist das. Hoffentlich betreten die Erstbesucher dennoch wieder Museen.

Gegen den Strich. Hundertwasser, Werke 1949-1970 . Kunsthalle Bremen, bis 17. Februar. Katalog (Hatje Cantz Verlag): 39, 80 Euro.

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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