Hobbit-Film in Neuseeland:Jacksons Traumwelt, eine Denunziation der Wirklichkeit

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Jahresrückblick 2012

Saftige Wiesen: Neuseeland ist auch bei der zweiten, epischen Filmreihe Peter Jacksons "Der Hobbit" Schauplatz. 

(Foto: dpa)

Was hat Peter Jacksons Hobbit-Film mit Neuseeland zu tun? Gar nichts. Es ist empörend, wie weit sowohl Landschaft und Fantasywelt als auch das Leben der Menschen und das der Kinobesucher auseinanderklaffen. Denn der Mob der Hobbit-Fans erfährt wenig vom wirklichen Leben der Neuseeländer.

Ein Gastbeitrag von Alan Duff

Ich bin zur Hälfte Maori, neuseeländischer Ureinwohner also. Und ich bin neuseeländischer Schriftsteller, zwei meiner Romane wurden hier verfilmt. Man sollte also meinen, dass ich mich dem übersprudelnden Lob für Peter Jacksons ersten Teil der Hobbits-Trilogie anschließe, der ja die wunderbaren Landschaften Neuseelands zur Kulisse hat. Ich respektiere Jacksons weltweites Ansehen in der Filmindustrie. Aber, Verzeihung, wenn ich die friedliche Weihnachtszeit stören muss: seine Arbeiten haben für mich keine Bedeutung.

Sie haben keine Bedeutung für mich als Neuseeländer, obwohl ich die prächtigen Landschaften meiner Heimat liebe. Noch weniger verstehe ich die Phantasiewelt, die er in diese höchst reale Welt hineinsetzt. Ich finde, der Großteil seines Fan-Clubs setzt sich aus einem, wie ich es nenne, Virtual-Reality-Mob zusammen. Ja genau: eine Vielzahl von Schafen ist auch ein Mob. Einer, der allein am ersten Wochenende, an dem der Film lief, 85 Millionen Euro für den Eintritt ins Kino ausgegeben hat.

Es mag ungerecht sein, aber es empört mich, wie sehr sowohl Landschaft und Fantasywelt als auch das Leben der Menschen in dieser Landschaft und das der Kinobesucher auseinander klaffen, wie wenig diese Besucher von unserem wirklichen Leben erfahren. Die meisten von ihnen sind junge Leute, die niemals irgendeinen Mangel litten, noch nicht einmal einen leeren Magen für mehr als ein paar Stunden.

Jeder besitzt ein Smartphone, und die meisten von ihnen würden über Nacht Schlange stehen, um die neueste Apple-Kreation zu erwerben. Was immer sie wollen, der Markt versorgt sie, sofort. Sie klimpern auf ihren Smartphones und Kriegsspiel-Konsolen so virtuos wie Konzertpianisten.

Die virtuelle Welt des verlogenen Heldentums

Sie kennen sich aus in dieser virtuellen Welt der künstlichen Gefahr, des verlogenen Heldentums, wissen, wie man dort mit Waffen umgeht, mit Gewehren mit mehreren Läufen, die selbst ein Arnold Schwarzenegger nur mit Schwierigkeiten heben könnte. In den Händen dieser Kinder können Feinde zu Tausenden zerstäubt, weggezappt, mit Stromschlägen aus dem Weg geräumt werden. Den Kugeln ihrer Feinde kann man hingegen ausweichen, mit äußerster Gewandtheit und der kriegerischen List eines Tieres. Wie ein McDonald's-Hamburger mit Fritten und Cola erzeugt das unmittelbare, schnelle Befriedigung. Doch bald möchte man mehr davon.

Letztlich verspricht Peter Jackson mit seiner Hollywood-Armee von Marketing-Einschmeichlern Ähnliches - eine Traumwelt, in der sich die Hauptpersonen fast wie in einem Computerspiel von Level zu Level zum großen Ziel vorarbeiten. Es liegt nahe, dass da dieses Jungvolk nicht widerstehen kann. Über beinahe drei Stunden hinweg reisen, watscheln und stolpern sie mit ihren Kumpels, den Hobbit-Zwergen durch den Film und suchen einen Schatz, der von einem Drachen bewacht wird. Von einem Drachen? Ja, eine dieser Kreaturen, durch und durch böse, schwer zu töten, feuerspeiend. Er ist erfunden und echt zugleich - echt in dieser virtuellen Welt, die irgendwie wie Neuseeland aussieht.

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