Historischer Roman:Herr und Knecht

Lesezeit: 2 min

Für Samuel, der als Sklave auf einer Südstaatenfarm lebt, ist Lesen und Schreiben der Schatz, der es ihm möglich macht, sein Leben und das der anderen Sklaven zu verändern. Sein Kampf um Freiheit beginnt.

Von Martina Scherf

Als Jon Walter dieses Buch schrieb, konnte er nicht ahnen, welche Aktualität es zwei Jahre später erhalten würde. "My Name's Not Friday" erschien 2015 im englischen Original, da regierte in Washington noch Barack Obama, der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten. Vielen Afroamerikanern gab er die Hoffnung, die Gesellschaft könnte sich eines nicht mehr fernen Tages als vereint betrachten. Diese Hoffnung ist mit Donald Trump zerbrochen.

"Mein Name ist nicht Freitag" ist ein Jugendbuch über die Sklaverei und die Frage, was sie mit einem Menschen macht. Ein mutiges und hervorragend gelungenes Buch. Es spielt in den Jahren des amerikanischen Bürgerkriegs, zur Zeit also, in der die noch heute spürbaren Risse in der Gesellschaft aufbrachen. Doch es ist kein historischer Roman, keine pädagogische Anleitung zum Humanismus. Walter erzählt zuallererst eine packende Geschichte. Er lässt seine Leser am Alltag des zwölfjährigen Samuel teilhaben und fühlen, was dieser fühlt. Ohne Pathos, ohne Kommentierung, in klaren Bildern. Umso intensiver taucht man in die Atmosphäre auf der Südstaatenplantage ein - und spürt, was es bedeutet, seiner Identität beraubt zu werden.

Samuel lebte vorher mit seinem kleinen Bruder in einem Waisenhaus. Die Kinder waren gut versorgt, solange sie treu an Gott und Teufel glaubten und sich den strengen Regeln des Paters fügten. Samuel, Lieblingsschüler, lernte lesen, rechnen, schreiben, er achtete die Religion. Doch das schützt ihn nicht, als er eines Tages die Schuld an einem Streich seines Bruders auf sich nimmt. Für 600 Dollar verkauft ihn der Pater an einen Sklavenhändler.

Von da an ist Samuel "Freitag". Hineingeworfen in eine fremde Welt. Leibeigener. Seinen neuen Namen gibt ihm der gleichaltrige Sohn des Plantagenbesitzers. Die Jungen verstehen sich gut, auch wenn stets klar ist, wer Herr und wer Knecht ist. Samuel fügt sich, in die Gepflogenheiten der Weißen und die Hierarchie unter den Schwarzen. Sein Glaube stärkt ihn - und fordert seinen Verstand, als er merkt, dass sein Gott auch der Gott der Sklavenhalter ist. Auch wird ihm bewusst, über welch geheimen Schatz er selbst verfügt: das Lesen und Schreiben. Es ist Sklaven verboten, aber es verschafft ihm Einsichten und Freiheiten, die andere nicht haben.

Die Figuren in diesem wunderbaren Buch sind vielschichtig. Jede hat ihre Stärken und Schwächen, Vorurteile und Ängste, das macht sie so glaubwürdig. Da ist Hubbard, der Sklaven-Vorarbeiter, ein grober Kerl mit einem weichen Kern. Da ist Gerald, Samuels weißer Spielgefährte, der sagt: "Schwarz oder Weiß, das macht doch keinen Unterschied", was weiß schon ein Kind. Eines aber weiß er genau: Er ist Erbe der Farm. Da ist Mrs Allen, Verwalterin der Plantage, seit ihr Mann im Krieg gegen die Nordstaaten kämpft. Vor allem ist da Samuel, der berichtet, von Auktionen, auf denen Herrenmenschen um fremde Körper feilschen, von weißen Priestern, die Schwarze auspeitschen, von Solidarität und Verrat und geheimen Zeremonien. Je näher die Front rückt, desto größer wird die Hoffnung auf Freiheit. Aber sie erfüllt sich nicht, der Kampf dauert an. (ab 14 Jahre)

J on Walter : Mein Name ist nicht Freitag. Aus dem Englischen von Josefine Haubold. Königskinder (Carlsen Verlag), Hamburg 2017. 442 Seiten, 18,99 Euro.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: