Hamburger Kulturpolitik:Ende der musischen Bewusstseinstrübung

Lesezeit: 2 min

Nach jahrelanger dilettantischer Kulturpolitik will der zukünftige Bürgermeister Olaf Scholz Hamburg wieder zur Kulturmetropole machen. Mit dem bisherigen Etat dürfte das kaum gelingen.

Till Briegleb

Der Satz verdient es, über die Tür des zukünftigen Kultursenators gemeißelt zu werden: "Wir werden Hamburg als Kulturmetropole stärken", hat der neue Bürgermeister Olaf Scholz im Wahlkampf beharrlich zu Papier gegeben, und hinzugefügt: "Demokratische Gesellschaften brauchen die Auseinandersetzung mit den Künsten". Natürlich liegen solche Imperative leicht auf der Zunge, wenn man vom politischen Gegner das pralle Schauspiel dilettantischer Kulturpolitik geliefert bekommt, so wie es die regierende CDU veranstaltet hat.

Die Sparpolitik der vergangenen Jahre soll in der Hamburger Politik umgekehrt werden - Projekte, wie die Elbphilharmonie, sollen Hamburg in eine Kulturmetropole verwandeln. (Foto: REUTERS)

Aber jetzt, wo der Spuk von Reinhard Stuth endlich vorbei ist, bekommt dieses Versprechen neues Gewicht. Wen immer der Wahlsieger als neuen Kultursenator beruft (im Gespräch soll die Hamburger SPD-Abgeordnete Dorothee Stapelfeldt sein), besitzt eine klare Leistungsvereinbarung, die Spar- und Vergrämungspolitik der letzten Jahre umzukehren.

Denn es ist bei weitem nicht damit getan, die absurden Sparbeschlüsse der letzten Regierung und ihre unausgegorenen Gesetze - etwa zur Museumsreform - zurückzunehmen. Was es nach Jahren des Rückzugs der Politik aus ihrer kulturpolitischen Verantwortung dringend braucht, ist Initiative - gestaltender und finanzieller Art. Denn Hamburg ist faktisch keine Kulturmetropole.

Den Museen fehlt es an Geld, um interessante und prominente Ausstellungen selbst zu entwickeln; Künstler hadern mit dem sturen Desinteresse der Politik und den horrenden Mieten in der Stadt; das Hamburger Filmfest ist noch immer eine Regionalveranstaltung, und von den Theatern kann nur das Thalia gelegentlich Produktionen entwickeln, die nationalen Qualitätsvergleichen standhalten.

Doch immerhin gibt es erste Zeichen für ein Ende der musischen Bewusstseinstrübung. Die beiden letzten Entscheidungen von Ex-Kultursenator Reinhard Stuth konnten nur gefällt werden, weil Olaf Scholz bereits vor der Wahl versprochen hatte, als Bürgermeister die Mehrkosten von mehr als drei Millionen Euro zu vertreten. Die Forderungen der zukünftigen Intendantin des Deutschen Schauspielhauses, Karin Beier, etwa unterstützte Olaf Scholz bereits als Kandidat. Statt 1,2 Millionen Euro weniger, wie von der CDU-Regierung verhängt, bekommt Beier von 2013 an 1,5 Millionen Euro mehr Geld.

Außerdem wird eine lästige Fehlentscheidung der Schirmer-Ära behoben: Das Junge Schauspielhaus blockiert nicht weiter die kleine Spielstätte des Theaters, den Malersaal, sondern zieht mit einer Million Euro eigenem Etat um auf den Theater-Campus in Ottensen, wo die neue Theaterakademie gebaut wird und das Thalia seine Nebenbühne Gaußstraße bespielt.

Auch die Fusion der Deichtorhallen mit der Sammlung Falckenberg, die verbunden ist mit einer rund vierzigprozentigen Subventionserhöhung, konnte nur mit der Zustimmung der SPD umgesetzt werden. Der Start dieser Kunstehe am vergangenen Freitag - die letzte Amtshandlung von Reinhard Stuth als Kultursenator - beschließt das unwürdige Gezerre um diese international bedeutende Sammlung.

Der Fabrikant von Tankdichtungen und Besitzer des Merve-Verlags, Harald Falckenberg, hatte sich stets verhandlungsbereit gezeigt. Von seinem ursprünglichen Angebot, der Stadt 2000 Werke seiner Kollektion mit deutscher und amerikanischer Gegenwartskunst zu einem Drittel des Versicherungswertes zu verkaufen, ließ er sich schließlich auf eine Dauerleihgabe für 13 Jahre herunterhandeln.

Gelöst sind die Probleme der beteiligten Häuser mit diesem Minimalkompromiss allerdings kaum. Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow verwaltet plötzlich 10.000 statt 4000 Quadratmeter Ausstellungsfläche an zwei weit auseinander liegenden Häusern, denn die Sammlung Falckenberg verbleibt an ihrem Standort in Harburg. Die 570.000 Euro, die er dafür zusätzlich erhält, sind im Vergleich mit anderen Ausstellungshäusern keineswegs metropolentauglich. Die Wiener Albertina verfügt bei halb so viel Platz über viermal so viel Zuwendungen.

Will Hamburg sich also endlich in eine wahrnehmbare Konkurrenz zu echten Kulturstädten setzen, dann wird der neue SPD-Senat um eine deutliche Erhöhung des betreffenden Etats - der in Hamburg mit rund 200 Millionen Euro nicht einmal drei Prozent des Gesamthaushaltes ausmacht - nicht herumkommen. Denn demokratische Gesellschaften brauchen nicht die Auseinandersetzung mit irgendwelchen "Künsten", sondern die Inspiration durch hochwertige Kultur. Und dafür reicht es nicht, die Telefonnummern von Sponsoren zu verteilen, wie es die Kulturpolitik hier bisher als ihre Aufgabe sah. Dafür braucht es den Willen, Steuergelder in Kreativität zu investieren. Ob das Olaf Scholz wirklich gemeint hat?

© SZ vom 22.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: