Nein, es ist keine "krachende Niederlage" für die Olympia-Befürworter. Das laute Krachen einer Niederlage setzt stille, selbstbewusste Siegeszuversicht auf der vermeintlich starken Seite voraus. Die Niederlage war aber vorhersehbar für eine Seite, die nicht vermeintlich stark, sondern tatsächlich schwach ist. Denn das Dagegensein ist in unserer Zeit viel virulenter und dominanter als das Dafürsein. Wer hier David und wer Goliath ist, was hier Mainstream und was Minderheit ist: Über die aktuelle Rollenverteilung kann man sich nicht mehr sicher sein.
Die eigentliche Überraschung am Votum jener Bürger, die sich am Sonntag in den vier Bürgerentscheiden (München, Garmisch-Partenkirchen, Traunstein und Berchtesgaden) auf so eindeutige wie zeichenhafte Weise gegen eine Bewerbung um die Winterspiele 2022 ausgesprochen haben, liegt nicht im erwartbaren Sieg der Olympia-Gegner. Eine Überraschung wäre es gewesen, hätten sich die Befürworter durchgesetzt.
Das Votum gegen ein Olympia von morgen und 2022 - symbolhaft in Aussicht gestellt exakt ein halbes Jahrhundert nach Olympia 1972 in München - richtet sich nicht nur gegen das realistischerweise schon heute als mafiös erscheinende IOC und seine elende Praxis der Städte- und Nationen-Geiselnahme; und es erschöpft sich auch nicht in der berechtigten Sorge um die ökologische Nachhaltigkeit der als bedroht empfundenen Heimat. Was sich hier zeigt, und zwar auf mindestens ebenso symbolhafte Art, ist viel mehr als ein zufälliger Ausschlag der Stimmungsdemokratie oder des allgemein erstarkten Wutbürgertums: Es geht, und deshalb sollte man das Phänomen tunlichst ernst nehmen und die Niederlage als geradezu systembedingt anerkennen, um einen gesamtgesellschaftlichen Gesinnungswandel. Nicht allein in Bayern, sondern in ganz Deutschland. Womöglich ist es auch ein Fingerzeig für westliche Demokratien insgesamt. Traunstein hat etwas zu tun mit Sotschi, Berchtesgaden hat etwas zu tun mit Katar.
Event und Spektakel
Die Vorzeichen haben sich für Großereignisse wie für Großstrukturen und Großprojekte geändert. Politik und Wirtschaft, der Sport und die Gesellschaft, gerne auch die Medien: Alle können daraus lernen. Der Paradigmenwechsel umfasst unter anderem eine überfällige Abrechnung mit einer Moderne, die nicht nur unterirdische Bahnhöfe, Flugverkehr, Schneekanonen und den Markenfetischismus eines halbseidenen und dreivierteltotalitären Global Players namens IOC hervorgebracht hat, sondern geradezu zwangsläufig auch die modernen Olympischen Spiele, wie wir sie heute kennen: als Event und Spektakel.
Das ist einer von vielen Haltepunkten auf dem Weg nicht zur krachenden, sondern zur schleichend erlittenen Niederlage: Unsere Städte sind schon längst übereventisiert und zugrundevermarktet. Im Wettbewerb um Standortvorteile und Imagebildung überbieten sich die Zentren in der fragwürdig gewordenen Kunst, den sogenannten öffentlichen Raum zu bespielen - der dadurch eher privatisiert und kommerzialisiert wird und der zunehmenden Exklusionsgesellschaft dient. Man ist, trotz der begeisternden Spiele von 2012 in London der fanfarenhaften Veranstaltungen langsam etwas müde.