Großformat:Musik in Ton und Bild

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Der deutsche Komponist und Musiker Gunter Hampel ist einer der führenden Pioniere des Free Jazz. Seine Partitur aus dem Jahr 1968 ist mehr Regieanweisung als traditionelles Notenblatt.

Von Andrian Kreye

Was hier aussieht wie eine abstrakte Zeichnung, ist eine Partitur. Gunter Hampel hat die Komposition "Tomorrow Is The Beginning Of The End Of Yesterday" im September 1968 geschrieben. Und es mag zwar sein, dass er von der Musikgeschichte als einer der führenden Pioniere des Free Jazz geführt wird. Er selbst hat sich gegen die Versuche, freie Musik zu kategorisieren, immer gewehrt, versteht sich genauso als Komponist wie als Instrumentalist. In beiden Rollen ging es ihm nie um die Anarchie, mit der so mancher Musiker improvisierte Musik in Verruf brachte. Es ist ja auch kein Zufall, dass ihn die amerikanische Jazz-Zeitschrift Downbeat seit 1966 in fast jeder ihrer Jahreslisten als einen der besten und virtuosesten Vibrafonisten der Welt führte.

Über die Jahre arbeitete Hampel aber nicht nur mit den Großen des Modern Jazz, sondern auch mit Meistern der zeitgenössischen Musik wie Hans Werner Henze und Krzysztof Penderecki. Das kann man auch an dieser Komposition ablesen, die er für das Album "Gesprächsfetzen" seines langjährigen musikalischen Weggefährten, des Altsaxofonisten Marion Brown schrieb (das Stück wurde damals gemeinsam mit dem Trompeter Ambrose Jackson, dem Bassisten Buschi Niebergall und dem Schlagzeuger Steve McCall eingespielt). Ähnlich wie die Jazzmusiker suchten Komponisten dieser Zeit nach neuen Wegen, Musik umzusetzen. So bestand Gunter Hampels Partitur nur aus wenigen traditionell notierten Vorgaben, und vor allem aus Regieanweisungen, wie im Theater, aus lyrischen Assoziationen und grafischen Mitteln. Musiker vom Kaliber der fünf, die sich am 20. September 1968 im Modernen Theater in München zur Aufnahme zusammenfanden, wussten genau, wie sie damit aus dem Stand ein in sich schlüssiges Werk schaffen konnten.

Heute gehört Gunter Hampel zu den Musikern und Komponisten, die Grenzen zwischen neuer Musik und Jazz, zwischen Komposition und Improvisation am konsequentesten auflösen. Und weil seine größten Stärken dabei berückend lyrische Melodien, ein unerschöpfliches Reservoir an Ideen und ein Gespür für hochbegabte junge Musiker sind, bleiben seine Konzerte große Momente musikalischer Gegenwart. Die nächste Gelegenheit, das zu erleben, ist kommenden Donnerstag, wenn er im "Gretchen" in Berlin Kreuzberg zusammen mit seinem Music & Dance Improvisational Ensemble und dem Omniversal Earkestra ein Konzert zu seinem 80. Geburtstag gibt, den er dann feiert.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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